Der Verband Deutscher Privatschulverbände e. V. (VDP) ist die bundesweite Interessenvertretung freier Bildungseinrichtungen, die durch Weiterbildung und Qualifizierung die (Re-)Integration von Ausbildungs- und Arbeitssuchenden in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Unsere Mitglieder bieten berufliche Weiterbildung an und beteiligen sich regelmäßig als Auftragnehmer an öffentlichen Vergabeverfahren.
Der VDP ist als Verband bisher kein Tarifpartner. Jedoch sind seine Mitgliedseinrichtungen von den Regelungen des Bundestariftreuegesetzes erheblich betroffen, da es umfassende Verpflichtungen für öffentliche Auftragnehmer zur Einhaltung tariflicher Standards vorsieht. Dies beeinflusst unmittelbar die Gestaltung und Umsetzung der arbeitsvertraglichen Bedingungen der Bildungseinrichtungen.
Obwohl der VDP die Zielsetzung des Gesetzes, faire Arbeitsbedingungen und eine verantwortungsvolle Verwendung öffentlicher Mittel zu fördern, grundsätzlich befürwortet, sieht der VDP in wesentlichen Punkten Klärungs- und Anpassungsbedarf. Da der politische Austausch zu diesem Gesetzesvorhaben bereits durch die Vorgängerregierung begonnen hat, beschränken wir unsere Rückmeldung auf folgende Aspekte:
- Anwendungsbereich
Der Entwurf dehnt den Anwendungsbereich erheblich aus – betroffen sind nicht nur direkte Bundesvergaben, sondern auch solche, bei denen der Bund überwiegend finanziert, mitbestimmt oder beaufsichtigt. Dies führt in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten, insbesondere bei Bildungsmaßnahmen mit Mischfinanzierung durch Bund, Länder, Kommunen oder EU.
Gerade im Bereich der beruflichen Weiterbildung ist eine Vielzahl von Maßnahmen über Bundesprogramme, Landesmittel oder den Europäischen Sozialfonds kofinanziert. Unklar bleibt dabei, ab wann eine „überwiegende Finanzierung“ durch den Bund anzunehmen ist – etwa bei gemeinsamer Trägerschaft von Jobcentern oder in Zuwendungsverfahren.
Wir fordern daher eine eindeutige und praktikable Abgrenzung des Anwendungsbereichs. Das Gesetz sollte klarstellen, für welche Vergabearten und in welchen Konstellationen es tatsächlich zur Anwendung kommt.
Gemeinnützige und kirchliche Ersatzschulen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Ausbildung dringend benötigter Fachkräfte, u. a. in den Bereichen Pflege, Therapie, Sozialarbeit und Laborassistenz. Diese Schulträger sind durch die gesetzlichen Regelungen bereits umfassend zur Einhaltung arbeitsrechtlicher und wirtschaftlicher Mindeststandards verpflichtet. Insbesondere Art. 7 Abs. 4 GG garantiert die Sicherung der wirtschaftlichen Stellung der Lehrkräfte an Ersatzschulen.
Zudem sind diese Einrichtungen aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit einer strikten steuerlichen Kontrolle unterworfen und dürfen keine Gewinne erwirtschaften. Ihre Finanzierungs- und Gehaltsstrukturen unterliegen damit einer Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, die deutlich über den Anforderungen des Tariftreuegesetzes liegen.
Ein zusätzlicher bürokratischer Prüfaufwand durch die Anwendung des Tariftreuegesetzes auf diese Schulträger steht daher in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen. Im Jahre 2024 befanden sich 15.0000 Schülerinnen und Schüler in solchen Umschulungsmaßnahmen (z. B. Bildungsgutschein). Die Ausnahme dient dem erst gar nicht Entstehen von Bürokratie und der Sicherung notwendiger Ausbildungskapazitäten für systemrelevante Berufe. Eine Klarstellung dahingehend bzw. die Aufnahme in die Gesetzesbegründung ist dringend geboten:
„ Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Träger staatlich genehmigter oder staatlich anerkannter Ersatzschulen in freier Trägerschaft, sofern diese gemeinnützig oder in kirchlicher Trägerschaft betrieben werden, Bildungsangebote im Rahmen der Erstausbildung oder Umschulung, insbesondere auch nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch, durchführen.“
- Bürokratischer Aufwand
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Nachweis-, Dokumentations- und Kontrollpflichten verursachen einen erheblichen Mehraufwand – insbesondere für kleinere Bildungseinrichtungen. Verpflichtungen zur Vorlage eines Tariftreueversprechens, zur Kontrolle von Nachunternehmern und Leiharbeitsverhältnissen sowie die Gefahr von Vertragsstrafen oder Ausschluss aus Vergabeverfahren stellen viele Träger vor personelle und organisatorische Herausforderungen.
Viele VDP-Mitglieder sind kleine, spezialisierte Einrichtungen. Für sie bedeutet der Gesetzentwurf eine unverhältnismäßige bürokratische Belastung.
Der VDP fordert daher eine gezielte Entlastung kleinerer Unternehmen – z. B. durch höhere Schwellenwerte, vereinfachte Nachweisverfahren oder durch Ausnahmeregelungen im Rahmen der Vergabevorgaben.
- Tarifliche Regelungen im Weiterbildungssektor – Einbindung aller Akteure
Bisher verhandelt die Zweckgemeinschaft des Bundesverbands der Träger der Beruflichen Bildung (BBB) gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für einen Teil der sich an öffentlichen Vergaben beteiligten den „Tarifvertrag über einen Mindestlohn in der Weiterbildung“. Dieser Tarifvertrag legt Mindestarbeitsbedingungen und einen tariflichen Mindestlohn für pädagogische Mitarbeitende fest, die in öffentlich geförderten Weiterbildungsmaßnahmen – insbesondere im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit oder der Jobcenter – tätig sind. Der Tarifvertrag wird durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für allgemeinverbindlich erklärt, wodurch er auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber in diesem Bereich der öffentlich geförderten Weiterbildung gilt.
Besonders kritisch ist die vorgesehene Verpflichtung, bei Bundesaufträgen die tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen einzuhalten, die in einer Rechtsverordnung festgelegt wurden – unabhängig davon, ob der Auftragnehmer selbst tarifgebunden ist oder an den betreffenden Verhandlungen beteiligt war. Für viele Bildungsträger bedeutet dies, dass sie sich an Tarifregelungen halten müssen, die sie nicht mitverhandeln konnten und die sie möglicherweise nicht angemessen abbilden. Dies widerspricht dem Grundsatz der Tarifautonomie und der negativen Koalitionsfreiheit, wonach sich Arbeitgeber bewusst gegen eine Tarifbindung entscheiden können.
Der VDP erkennt die Zielsetzung des Bundestariftreuegesetzes an, die Tarifbindung zu stärken und faire Arbeitsbedingungen zu sichern. In der vorliegenden Fassung birgt der Entwurf jedoch erhebliche praktische, rechtliche und finanzielle Risiken für freie Bildungseinrichtungen.
Wir fordern deshalb:
- eine präzise Abgrenzung des Anwendungsbereichs,
- eine gesetzliche Ausnahme für gemeinnützige und kirchliche Bildungsträger,
- eine Entlastung kleiner Bildungseinrichtungen durch vereinfachte Nachweispflichten,
- die Vermeidung von Doppelregulierung bei bereits allgemeinverbindlichen Tarifverträgen,
- und den Schutz der Tarifautonomie durch freiwillige statt erzwungene Tarifbindung.
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.
Bundesgeschäftsstelle, Kronenstraße 3, 10117 Berlin, vdp@privatschulen.de