Stellungnahme zum Pflegestudiumstärkungsgesetz

Stellungnahme des Verbands Deutscher Privatschulverbände e.V. zum

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (Pflegestudiumstärkungsgesetz – PflStudStG)

1. Vorbemerkung

Richtigerweise ist die berufsfachschulische Ausbildung der Pflegefachkräfte der Regelfall. Aufgrund des akuten Mangels an Pflegefachkräften in allen Bereichen der Versorgung und einer demografischen Entwicklung, die in den kommenden Jahren den Bedarf an Pflegenden signifikant weiter erhöhen wird, ist es eine zentrale Herausforderung der Gesundheitspolitik in Bund und Ländern, die Ausbildungsbedingungen immer wieder zu evaluieren und zu verbessern.

Aus diesem Grund begrüßt der VDP grundsätzlich die Zielsetzung der Bundesregierung, das Ausbildungsangebot in der Pflege attraktiver aufzustellen und hierfür auch die hochschulische Pflegeausbildung in den Fokus zu rücken. Denn erst kürzlich machten die Ergebnisse des Pflegepanels des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) deutlich, dass in der hochschulischen Pflegeausbildung das Ausbildungsangebot die Nachfrage übersteigt. Dass auf 2.122 angebotene Studienplätze nur 1.217 immatrikulierte Studierende fallen, ist ein Signal, dass es hier ein Attraktivitätsproblem gibt und das Studienangebot nicht wie erwartet angenommen wird.

Bevor wir im Folgenden zu den vorgesehenen Änderungen im Konkreten Stellung beziehen, folgende grundsätzliche Anmerkungen:

  • Um die Zielgröße des Gesetzentwurfs zu erreichen, sind die derzeitigen Kapazitäten der Studienplätze um rund 200 Prozent zu erhöhen. Der Ausbau der hochschulischen Pflegeausbildung kann aber nur erfolgreich sein, wenn zugleich mehr Absolventen der Pflegepädagogik für die Lehre an Hochschulen zur Verfügung stehen. Zudem bleiben aufgrund des Lehrkräftemangels an Pflegeschulen aktuell Ausbildungskapazitäten ungenutzt. Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen nach der von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Landesberichterstattung Gesundheitsberufe NRW 1.000 Lehrkräfte an Pflegeschulen. In anderen Bundesländern sieht es mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich aus, wenngleich die Bedarfsermittlung oftmals nicht erfolgt, obwohl diese für die notwendigen politischen Weichenstellungen zur Lehrkräfteabsicherung an Pflegeschulen dringend erforderlich wäre. Dies macht deutlich, dass in der Pflegepädagogik die Kapazitäten und Studierendenzahlen deutlich gesteigert werden müssen, um das Lehrpersonal für die pflegerische Ausbildung nach dem PflBG auszubilden und zudem ausreichend Lehrpersonal im hochschulischen Kontext zu gewinnen. Der VDP fordert daher zügig bundesweite Anstrengungen sowie weiterführende Maßnahmen und Kampagnen, um den gravierenden Mangel an Lehrkräften abzumildern und die Option Pflegepädagoge zu werden, auch finanziell stärker zu fördern. Eine Option wäre auch das Aussetzen oder Verlängern der Übergangsfristen für die gestiegenen Qualifikationsanforderungen an Schulleiter und Lehrkräfte, bis der Nachweis erbracht ist, dass ausreichend Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Denkbar wäre auch ein größerer Spielraum für die Pflegeschulen durch die Option des Einsatzes von Masterstudierenden. Es wäre fatal, wenn sich durch die Reform Auszubildende zwar häufiger für ein Pflegestudium entscheiden, aber die Ausbildungsplatzkapazitäten nicht insgesamt erweitert werden können.

 

  • In § 38 PflgBG zur Durchführung des Studiums heißt es: „Das Studium umfasst theoretische und praktische Lehrveranstaltungen an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen (…).“ Damit fehlt es weiterhin an der Möglichkeit, dass Bachelorstudiengänge von staatlichen oder staatlich anerkannten Berufsakademien ebenfalls das duale Studium anbieten können, sofern sie die Berechtigung haben, Studiengänge zu akkreditieren und genehmigen zu lassen.

 

  • Um mehr Absolventen der Pflegeausbildung zu erreichen, müssen auch die Defizite in der beruflichen Pflegeausbildung angegangen werden:

 

    • Nach § 27 Abs. 1 PflBG fallen die Investitionskosten nicht unter die Kosten der Ausbildung, die über die Ausgleichsfonds finanziert werden. Die Finanzierung obliegt den Ländern, die dazu unterschiedliche Regelungen getroffen haben. Für die Planungssicherheit der Pflegeschulen sind verlässliche und unbefristete Regelungen zu Finanzierung unerlässlich. Pflegeschulen, die sich nicht in Trägerschaft eines Krankenhauses befinden, müssen bezüglich der Investitionskosten den an Krankenhäuser angeschlossenen Pflegeschulen gleichgestellt werden. Dies kann über die Verpflichtung der Länder im PflBG zu einer auskömmlichen Finanzierung der Investitionskosten erreicht werden.

 

    • Die Erfahrungen der reformierten Pflegeausbildung zeigen, dass weiterhin die Kooperationen das Nadelöhr in der Ausbildung sind. Auch bremsen fehlende Plätze für die praktische Ausbildung in Krankenhäusern und der ambulanten Pflege den Ausbau der Kapazitäten. Vor diesem Hintergrund ist es nun das Gebot der Stunde, Reha-Einrichtungen als Träger der praktischen Pflegeausbildung aufzunehmen.

 

    • Die Generalistische Pflegeausbildung geht einher mit steigenden Anforderungen an die schulischen Leistungen der Auszubildenden. Die zunehmende Akquise von Auszubildenden aus dem Ausland zieht zugleich besondere Anforderungen an den Spracherwerb vor und während der Ausbildung nach sich. Ein Ausbau der Schulsozialarbeit, mehr Unterstützung bei Gefährdung des Ausbildungserfolgs und mehr Zeit für den Spracherwerb sind dringend erforderlich.

 

2. Zu den Regelungen im Einzelnen

  • 37 PflBG-GE – (Hochschulische Pflegeausbildung Ausbildungsziele)

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Träger des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung gegenüber der beruflichen Pflegeausbildung das „erweiterte Ausbildungsziel“ zu berücksichtigen hat. Damit strebt der Gesetzgeber an, dass das Pflegestudium mehr Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung anspricht und zielt auf einen Mehrwert des Studiums ab, der sich bisher aber weiterhin nicht im Studienumfang oder in der späteren praktischen Berufstätigkeit abbildet. Das praktische Tätigkeitsspektrum der hochschulisch ausgebildeten Pflegenden entspricht dem der dreijährig fachschulisch ausgebildeten Pflegefachpersonen. Dies ist im PflBG ausdrücklich verankert. Der vorliegende Gesetzentwurf legt nicht dar, für welche späteren Aufgabenbereiche in der Pflege mehr hochschulische Absolventen gewonnen werden sollen.

Das künftige „Duale Studium“ wird ohne vorherigen Praxiseinsatz absolviert. Es umfasst mindestens drei Jahre und dabei mindestens 4.600 Stunden, von denen mindestens 2.100 Stunden auf Lehrveranstaltungen und mindestens 2.300 Stunden auf Praxiseinsätze entfallen müssen. Dieser Umfang entspricht nahezu den Vorgaben der Pflegeausbildung und dennoch spricht der Gesetzgeber von einem „erweiterten Ausbildungsziel“ des dualen Studiums. Diese Festlegung ist unkonkret. Zudem ist die Verankerung eines „erweiterten Ausbildungsziels“ nicht schlüssig, wenn Pflegestudium und Pflegeausbildung vom Umfang her miteinander sehr vergleichbar sind. Zudem bereiten beide Ausbildungswege auf die Tätigkeit als Pflegefachkraft vor. Es bleibt fraglich, ob sich das hochschulische Niveau der theoretischen Ausbildung dann auch in der praktischen Pflegeausbildung widerspiegelt.

  • 38a PflBG-GE (Träger des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung)

Zur Erreichung des Ziels, die Kosten des praktischen Teils des Pflegestudiums zu finanzieren, bedarf es künftig auch im Rahmen des Pflegestudiums – wie bei der beruflichen Ausbildung – eines Trägers des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung. Der VDP weist noch einmal darauf hin, dass das Thema Kooperation mit Trägern der praktischen Ausbildung schon heute in der beruflichen Pflegeausbildung die Engpassstelle ist. Hier darf kein weiteres Nadelöhr entstehen, das dem Aufbau weiterer Kapazitäten entgegensteht oder das Ausbildungssystem in eine Schieflage gerät.

  • 5 Absatz 1 Satz 1 PflBG-GE (Berufliche Ausbildung – Ausbildungsziel)

Mit der ausdrücklichen Nennung der digitalen Kompetenzen als Teil des Ausbildungsziels würde diesen in der Pflegeausbildung zukünftig eine höhere Bedeutung zukommen. Dies ist aus Sicht des VDP ausdrücklich zu begrüßen.

  • 17 PflBG-GE (Pflichten der Auszubildenden)

Künftig sollen Ausbildungsnachweise elektronisch geführt werden können, sofern sich die Ausbildungsparteien entsprechend verständigt haben. Die Niedrigschwelligkeit solle weiterhin erhalten bleiben. Dies begrüßt der VDP als einen Aspekt der Modernisierung und Digitalisierung der Pflegeausbildung.

  • 40 PflBG-GE (Gleichwertigkeit und Anerkennung von Auszubildenden)

Mit § 40 PFlBG-GE soll die Möglichkeit geschaffen werden, neben einer Gleichwertigkeitsprüfung den antragstellenden Personen direkt eine Kenntnisprüfung oder einen Anpassungslehrgang anbieten zu können. Hierdurch sollen die Anerkennungsverfahren beschleunigt werden. Der VDP begrüßt, dass damit künftig die Pflegekräfte schneller die Möglichkeit erhalten, eine Kenntnisprüfung oder einen Anpassungslehrgang zu absolvieren. Allerdings gilt es zu beachten, dass damit – zunächst theoretisch betrachtet – statt des Bearbeitungsstaus bei den Gleichwertigkeitsprüfungen ein Engpass bei Anpassungslehrgängen und Kenntnisprüfungen entstehen könnte. Hier gilt es, zügig den Aufbau weiterer Kapazitäten bei den Pflegeschulen zu fördern. Um die Kapazitäten der Prüfeinrichtungen zu erhöhen, sollte jede Pflegeschule, die nach PflBG ausbildet, diese abnehmen dürfen und gleichzeitig nach Landesrecht geklärt werden, wem der Prüfungsvorsitz innerhalb des Prüfungsverfahrens obliegt.

  • 2 Abs. 4 und § 4 Abs. 4 PflAPrV-GE (Theoretischer und Praktischer Unterricht sowie Praxisanleitung)

Der VDP begrüßt, dass der Einsatz digitaler Lehr- und Lernformate „in einem angemessenen Umfang“ nun regelhaft in die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung aufgenommen werden sollen. Laut Gesetzesbegründung werden jeweils 10 Prozent des theoretischen Ausbildungsteils in Form von E-Learning-Elementen als angemessen angesehen. Im Bereich der berufspädagogischen Fortbildung ist darüber hinaus eine vollständige digitale Durchführung zulässig. Der VDP begrüßt diese Neuerung ausdrücklich, denn mittlerweile werden Bildungs- und Weiterbildungsangebote nahezu flächendeckend in allen Bereichen digital angeboten. Allerdings sollte geprüft werden, ob eine Beschränkung von E-Learningformaten, wie sie in der Gesetzesbegründung genannt wird, in Anbetracht der pädagogischen und technischen Entwicklungen noch vertretbar ist und mit Blick auf die voraussichtliche Entwicklung der nächsten Jahre noch zeitgemäß sein wird.

  • 45a PflAPrV-GE (Inhalt und Durchführung der Kenntnisprüfung)

Mit dieser Anpassung der PflAPrV soll es möglich sein, neben der bisher vorgesehenen Durchführung einer Kenntnisprüfung diese als „anwendungsorientierte Parcoursprüfung“ zu organisieren. Der VDP begrüßt dies, denn diese Art der Prüfung wird als besonders praxisrelevant und niedrigschwellig geschätzt. Standards hinsichtlich der Prüfungsausstattung sind zu definieren und den Pflegeschulen eine entsprechende Finanzierung zur Anschaffung der Prüflabore bereitzustellen. Darüber hinaus sollte aber geprüft werden, inwieweit die Organisation der Prüfung durch die Pflegeschulen von nicht brauchbaren Regularien befreit wird. So sollten Prüftermine durch die Pflegeschulen unterjährig frei festgelegt werden können, auch außerhalb der regulären Abschlussprüfungen. Denn diese Vorgabe belastet unnötig die Kapazitäten der Pflegeschulen. Darunter fällt auch die verpflichtende Prüfungsteilnahme von Medizinpädagogen/innen. Denn diese verpflichtende Teilnahme lässt sich aufgrund des Mangels verfügbarer Personen oftmals nur unter größten Schwierigkeiten bewerkstelligen.

 

Berlin, im August 2023

Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.