Stellungnahme: Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Gemeinsame Stellungnahme (bag arbeit, BBB, EFAS und VDP) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und zum Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e.V. (bag arbeit), der Bundesverband der Träger der beruflichen Bildung e. V. (BBB), der Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. (EFAS) und der Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. (VDP) vertreten einen bedeutenden Teil gemeinnütziger und privater Bildungs-, Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen in Deutschland.

Wir danken für die Möglichkeit zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterent-wicklung der Fachkräfteeinwanderung des Bundesministeriums des Innern und für Hei-mat und der entsprechenden Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Stellung nehmen zu können. Wir würdigen den gesetzgeberischen Ehrgeiz, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben der Fachkräfteeinwanderung und -sicherung möglichst zügig und umfassend umzusetzen. Wir unterstützen das Anliegen der Gesetzesinitiative, mehr Menschen aufenthaltsrechtliche Perspektiven zu eröffnen und die Zugänge für ausländische Fachkräfte zum deutschen Arbeitsmarkt auszubauen.

Nachfolgend nehmen wir zu einzelnen, zentralen Punkten Stellung, wie sie im Rahmen des Gesetzentwurfes und des Verordnungsentwurfes festgehalten werden. Unser Blick richtet sich dabei auf die Möglichkeiten einer nachhaltigen Fachkräftesicherung.

Wie bereits im Eckpunktepapier vom November 2022 festgehalten, soll die Fachkräfteeinwanderung künftig auf drei Säulen beruhen: der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule. Zusätzlich zu den bestehenden Regelungen im Bereich der sog. Fachkräftesäule sollen Fachkräfte künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben kön-nen: eine als Kauffrau für Büromanagement anerkannte Fachkraft kann auch im Bereich Logistik als Fachkraft beschäftigt werden. Für die Blaue Karte EU werden die bestehenden Gehaltsschwellen abgesenkt und attraktivere Bedingungen für Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger geschaffen. Mit der Erfahrungssäule soll Drittstaatsangehörigen die Ein-wanderung ermöglicht werden, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen in ihrem Herkunftsland staatlich anerkannten mindestens zweijährigen Berufsabschluss er-worben haben. Mit der Potenzialsäule richtet man sich an Menschen, die noch keinen deutschen Arbeitsvertrag haben. Kern der Potenzialsäule ist die Einführung einer Chancenkarte zur Arbeitssuche. Sie wird auf einem transparenten und unbürokratischen Punktesystem basieren. Zu den Auswahlkriterien können Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter gehören.

Die Erweiterung der Blauen Karte, die Vereinfachung von Anerkennungsverfahren, die Ausweitung der Möglichkeiten der Einreise für Studium und Ausbildung, die Ausweitung der Engpassberufe sowie die Einführung der Chancenkarte sind dringend notwendige Schritte für die Gestaltung einer zukunftsfesten Einwanderungspolitik. Auch der Verzicht bei Vermittlungsabsprachen im Gesundheits- und Pflegebereich auf das konkrete Arbeitsplatzangebot nach der Anerkennung sowie auf den engen berufsfachlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit während des Anerkennungsverfahrens und der nach der Anerkennung angestrebten Tätigkeit, weisen in die richtige Richtung.

In der praktischen Umsetzung wird es auf eine übersichtliche und möglichst schlanke Gestaltung der Berufsanerkennungsverfahren und damit verbundener Bleibeperspektiven ankommen. Dem Fachkräftemangel in Deutschland wird nur dann begegnet werden können, wenn neben Studierenden sowie Akademikerinnen und Akademikern überwiegend berufsqualifizierte und mit beruflichen Erfahrungen ausgestattete Menschen eine dauer-hafte Beschäftigung in Deutschland aufnehmen. Es soll Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit sein, Qualifikationen zu prüfen und die Eignung der Arbeitgeber festzustellen. Hier stehen die Verfahren noch nicht fest.


1. Artikel 1 RE, insbesondere §§ 18g ff AufenthG-RE – Blaue Karte EU

Die sogenannte „Blaue Karte“ ist ein zentraler Bestandteil der Fachkräftesäule und richtet sich an Menschen mit Hochschulabschluss. Der hierfür neu geschaffene § 18g AufenthG-RE sieht Verbesserungen vor allem für hochqualifizierte, zuwanderungswillige Menschen aus Drittstaaten vor. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang das Vorhaben den Arbeitgeberwechsel zu erleichtern ebenso wie die Erleichterungen zur Erlangung der Erlaubnis zum Daueraufenthalt. Sinnvoll ist auch die Regelung für Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Hier sollen Menschen auch ohne formalen Hochschulabschluss mit einer mindestens dreijährigen qualifizier-ten Berufserfahrung bei Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebots die „Blaue Karte EU“ erhalten (§ 18g Absatz 2 AufenthG-RE).

Das Herabsetzen der Mindestverdienstgrenze für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung auf 56,6 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung ebenso wie die Erhöhung der Anzahl der Engpassberufe (einher-gehend mit einer Herabsetzung der Mindestverdienstgrenze auf 45,3 Prozent) soll Zuwanderung attraktiver machen. Allgemein ist zu fragen, ob die veranschlagte Mindestverdienstgrenze nicht zu hoch ist und für Engpassberufe ganz entfallen kann.

Aufgrund der im AufenthG angedachten Erleichterungen für den Familiennachzug rechnet der Referentenentwurf mit einer Erhöhung der Familiennachzüge um mehr als 20.000 Fälle. Wir begrüßen die Regelung ausdrücklich, möchten aber darauf hinweisen, dass in Folge der Regelung ebenfalls zu gewährleisten ist, dass nachgezogene Angehörige möglichst schnell in das Alltags- und Arbeitsleben zu integrieren sind. An erster Stelle steht hier selbstverständlich die Vermittlung von Deutschkenntnissen. Wir fordern, Anreize zum Sprachenlernen aufrechtzuerhalten, möglichst über eine Teilnahmeberechtigung an einem Integrationskurs.

Um der der stark steigenden Zahl der Erwerbsmigrierenden und den nachziehenden An-gehörigen gerecht zu werden, braucht es ein tragfähiges Integrationskurssystem und ein flächendeckendes Angebot an Integrationskursen. Nur so wird es möglich sein, weiterhin hochwertige Sprachkurse anbieten zu können. Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Asylsuchenden ist zu einem integrierten Gesamtprozess auszugestalten, der den frühzeitigen Spracherwerb, die Qualifikations- und Kompetenzfeststellung, die Berufsorientierung, den Übergang in Ausbildung und Beruf und die Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit umfasst.

Es bedarf in diesem Zusammenhang mehr denn je einer Stärkung des Gesamtprogramms Sprache. Der steigenden Anzahl von Ankommenden steht ein eklatanter Fachkräftemangel im Bereich Sprachschullehrer gegenüber. Mehr Planungssicherheit, eine Flexibilisierung der Kursdurchführungen, verbesserte finanzielle Rahmenbedingungen, nicht nur für die Lehrkräfte, sondern auch für die zugelassenen Integrationskursträger sind dabei wesentliche Voraussetzungen. Mit Blick auf ein nachhaltig stabiles System geht es bspw. sehr konkret auch um eine verlässliche Kontinuität in der Überprüfung der Passgenauigkeit der Kostensätze.

2. Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung (Artikel 2 RE, insbesondere §§ 16a ff und § 17 AufenthG-RE – „Bildungsmigration“)

Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber Erleichterungen im Bereich Bildungsmigration vorsieht, indem die Aufnahme eines Studiums in Deutschland noch attraktiver gemacht werden soll. Die Sicherung des Lebensunterhalts wird durch erweiterte Möglichkeiten zur Nebenbeschäftigung bei Studienaufenthalten erleichtert, zudem werden einige Verbote von Nebentätigkeiten, vor allem beim Sprachkursbesuch, aufgehoben. Damit sollen verstärkt Studierende aus dem Ausland gewonnen werden, die ein erhebliches Potenzial als zukünftige akademische Fachkräfte mitbringen.

Die Sicherung der Fachkräftebasis wird nur dann gelingen, wenn darüber hinaus vor allem junge Menschen für eine Berufsausbildung gewonnen werden können. In dem vorliegenden Gesetzentwurf spielt die Einwanderung nach Deutschland zum Zwecke einer Berufsausbildung nur eine untergeordnete Rolle und beschränkt sich auf Verbesserungen im Detail. So werden die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zur Ausbildungsplatzsuche zwar abgesenkt, indem das Höchstalter zur Einreise für eine Ausbildungsplatzsuche um zwei Jahre erhöht wird. Die Anforderungen an Sprachkenntnisse liegen jedoch weiterhin bei B2 und sollten unbedingt gesenkt werden, um die Einreise über § 17 Absatz 1 zu erhöhen.

Für Ausbildungsberufe, in denen der Fachkräftemangel schon akut ist – Bau, Handel, Gastgewerbe, Verkauf; Pflege und der Lebensmittelbereich sind laut Bundesagentur für Arbeit besonders betroffen – wird eine ausschließliche Erhöhung des Höchstalters keine grund-legenden Verbesserungen mit sich bringen. Selbst die dem Entwurf zugrundeliegende Schätzung unter 4.1.8 (Antrag einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildungsplatzsuche; § 17 Absatz 1 AufenthG) belaufen sich auf insgesamt lediglich 330 Fälle pro Jahr. Will man hier die Anzahl der zu integrierenden Menschen erhöhen, müssen die Bedingungen für die Einreise deutlich vereinfacht werden. Zusätzliche finanzielle Anreize für die betriebliche und schulische Berufsausbildung zu setzen ebenso wie ganz konkrete Unterstützung wie bspw. bei der Suche einer Wohnung, wären sinnvolle Maßnahmen.

3. „Anerkennungspartnerschaft“ als Erfahrungssäule (Artikel 2 RE, insbesondere § 16d Absatz 3a AufenthG-RE)

Durch die Einführung einer neuen Aufenthaltserlaubnis soll für vorqualifizierte Drittstaats-angehörige mit der Anerkennungspartnerschaft das Erlangen eines in Deutschland anerkannten Abschlusses deutlich attraktiver gemacht werden. Dazu kann das Anerkennungs-verfahren – anders als bisher – erst im Inland begonnen werden. Die Fachkraft kann in Deutschland bereits vom ersten Tag an eine existenzsichernde Beschäftigung aufnehmen. Die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis auf ein Jahr setzt allerdings voraus, das Anerkennungsverfahren zügig und unbürokratisch vollzogen werden können. Zu entwickeln wäre ein einfacher und durchschaubarer rechtlicher Rahmen.
Mit der geplanten Anerkennungspartnerschaft, bei welcher sich die Fachkraft und der Arbeitgeber zu einer schnellen Anerkennung verpflichten, ist die Nachlagerung des Defizitbescheids möglich. Dies ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, erfordert allerdings auch, dass Fachkraft und Arbeitgeber ohne vorheriges Kennenlernen ein entsprechendes Arbeitsverhältnis eingehen. Wünschenswert wäre es darüber hinaus, qualifizierten Fachkräften die Einreise zur Arbeitsplatzsuche auf Basis ihres im Ausland erworbenen Berufs- oder Hochschulabschlusses zu ermöglichen und damit die Möglichkeit der Nachlagerung des Defizitbescheides grundsätzlich zu erweitern.

4. Aufenthalt zum Zwecke der Erwerbstätigkeit (Artikel 2 RE, insbesondere §§ 18a und 18b AufenthG-RE)

Die hier vorgenommene, einzige Veränderung ist zu begrüßen: Zukünftig kann einer Fachkraft mit Berufsausbildung eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung jeder qualifizierten Beschäftigung erteilt werden. Einer Fachkraft, die über eine inländische qualifizierte Berufsausbildung verfügt, kann eine solche Aufenthaltserlaubnis ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden. Damit wird der fachlichen Einschätzung potenzieller Arbeitgeber ein größerer Raum zugestanden, Verfahrenserleichterungen ermöglicht und die Chancen auf eine passgenaue Integration in das Arbeitsleben erleichtert.

5. „Chancenkarte“ als Potenzialsäule (Artikel 2 RE, insbesondere § 20a Auf-enthG-RE)

Für Personen mit einem ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss wird zur Arbeitssuche eine Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems eingeführt. Zu den Auswahlkriterien gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. Damit bestehen für Fachkräfte verbesserte Möglichkeiten für die Einreise zur Arbeitsplatz-suche und/oder zur Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikationen. Die Möglich-keit zur Probearbeit ist ebenfalls zu begrüßen. Der Wechsel in Aufenthaltstitel zu Erwerbs- oder Bildungszwecken wird gewährleistet. Auch dies dient dazu, neue Potenziale von ge-eigneten Arbeitnehmern für den deutschen Arbeitsmarkt zu erschließen, denen bislang die Arbeitsplatzsuche nicht möglich war. Zudem werden die Voraussetzungen für einen
Aufenthaltstitel zum Zweck der Ausbildungsplatzsuche abgesenkt.

Inwiefern die angedachte Begrenzung der Vergabe der Chancenkarte nach §20a, Abs.7 für Fachkräfte, die sich noch im Ausland befinden, ein Hemmnis werden wird, hängt von der konkreten Ausgestaltung dieser Regelung ab.

Der eingeforderte Nachweis zur Sicherung des Lebensunterhalts (§20a Abs.4) ist immer dann kritisch zu sehen, wenn die Arbeitsplatzsuche durch eine dritte Institution aktiv unterstützt sowie die Unterbringung und Verpflegung durch diese nachweislich gesichert ist. In diesen Fällen sollte von der vollständigen Sicherung des Lebensunterhalts abgewichen werden können. Selbstverständlich würde die durchführende Institution auch Sorge dafür tragen, dass die Fachkraft wieder ausreist, sofern keine Einmündung in die qualifizierte Erwerbstätigkeit und damit eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts inner-halb der Laufzeit des Visums stattfinden konnte.

Auch die „Chancenkarte“ wird (analog zur Anerkennungspartnerschaft) nur für ein Jahr gewährt und setzt einen formalen Berufs- bzw. Hochschulabschluss voraus. Der Nachweis der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation oder die Berufsausübungserlaubnis muss vor der Einreise festgestellt bzw. erteilt werden. Dies ist bspw. bei Pflegekräften oder Erzieherinnen und Erziehern der Erfahrung unserer Mitgliedsunternehmen nach kaum bis nicht gegeben. In der Regel folgt auf den Anerkennungsantrag die Ausstellung eines Defizitbescheids durch die zuständige Stelle. Darüber hinaus würde dies bei landesrechtlich geregelten Ausbildungsberufen voraussetzen, dass bereits von Beginn an die Wahl eines Bundeslandes zur Arbeitsplatzsuche von der Fachkraft getroffen werden muss. Dies kann eine erhebliche räumliche Einschränkung der Bemühungen der Fachkräfte darstellen und Arbeitgebern in kleinen oder strukturschwächeren Regionen zum Nachteil werden. Wünschenswert wäre an dieser Stelle zumindest die erleichterte Berücksichtigung eines nachweisbaren Berufsabschlusses sowie erweiterte Zugangsregelungen für Menschen mit beruflichen Erfahrungen. Eine diesbezügliche Öffnung ist schon deshalb sinnvoll, da es in den in den Blick genommenen Drittstatten kein dem dualen Berufsausbildungssystem ähnliches Ausbildungswesen gibt.

6. Arbeitskräfte mit ausgeprägter Berufserfahrung (Artikel 2 RE, insbesondere § 18 Absatz 1 AufenthG-RE i.V.m. § 19c Absatz 2 AufenthG a.F. und § 6, 22a, BeschV-RE)

Für Personen mit ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung wird für nicht-reglementierte Berufe in allen Branchen ein Zugang geschaffen. Die Zustimmung für eine inländische qualifizierte Beschäftigung kann Ausländerinnen und Ausländern mit

1. einer in den letzten fünf Jahren erworbenen, mindestens zweijährigen, für die Beschäftigung befähigenden Berufserfahrung,

2. einem Arbeitsplatzangebot oder einem Arbeitsplatz, dessen Gehalt mindestens 45 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt und

3. einer ausländischen Berufsqualifikation, die von dem Staat, in dem sie erworben wurde, staatlich anerkannt ist und deren Erlangung eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt hat, oder einem ausländischen Hochschulabschluss, der von dem Staat, in dem dieser erworben wurde, staatlich anerkannt ist, erteilt werden.
Ist der Arbeitgeber tarifgebunden, kann von der Gehaltsschwelle nach unten abgewichen werden. Auch hier wäre – analog zur Blauen Karte EU zu überlegen, ob die veranschlagte Mindestverdienstgrenze nicht zu hoch ist und ggf. auch für nicht tarifgebundene Unter-nehmen entfallen kann.

Mit § 22a der Beschäftigungsverordnung wird ein Zustimmungstatbestand zur Beschäftigung von qualifiziertem Pflegehilfspersonal aus Drittstaaten neu eingeführt. Die Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit wird für Tätigkeiten im Gesundheits- und Pflegebereich – also insbesondere jenen, durch regulatorische Anforderungen an Personal-Mindestausstattungen betroffenen Bereiche – erteilt. Voraussetzung ist, dass der Ausländer oder die Ausländerin über eine inländische Berufsausbildung als Pflegehilfskraft oder eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation verfügt, die von den nach den nach den Regelungen der Länder zuständigen Stelle als zu einer inländischen Berufsausbildung als Pflegehilfskraft gleichwertig anerkannt ist. Zur Erleichterung der praktischen Umsetzung von Vermittlungsabsprachen im Gesundheits- und Pflegebereich soll für die Erteilung der Zustimmung auf den engen berufsfachlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit während des Anerkennungsverfahrens und der nach der Anerkennung angestrebten Tätigkeit verzichtet werden. Außerdem muss kein konkretes Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung nach der Anerkennung mehr vorgelegt werden.

Die in der Praxis zu erwartenden, nicht unerheblichen Verfahrensherausforderungen sollten nicht unterschätzt werden. So muss die Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich „Angemessenheit“ oder „Vergleichbarkeit“ viele rechtlich relevante Wertungen vornehmen.

Beratungsangebot – Verordnungsermächtigung (§45b) – Berücksichtigung dritter Institutionen im Rahmen der Gewinnung von Fachkräften

Wir begrüßen sehr die Einrichtung einer Erstansprechstelle im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Ausbau und die Verfestigung des Angebots „Faire Integration“. Diese beiden Angebote decken wichtig Teile des Migrationsprozesses ab und können bei verfahrenstechnischen Fragen ebenso wie bei arbeitsrechtlichen Angelegenheiten unterstützen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass mit der Ankunft in Deutschland Fragen der Wohnungssuche, notwendige Behördengänge, Kontoeröffnung, Anmeldung zu Sprach- oder Integrationskursen oft große Herausforderungen darstellen. Für Erwerbsmigrierende mit einer Chancenkarte einreisen, müssen darüber hinaus Unterstützungsangebote für Jobsuche und Bewerbungstraining geschaffen werden. Um dem Gesamtprozess gut zu begleiten, würden wir eine durchgängige Begleitung durch Integrationslotsen oder Willkommensbegleiter begrüßen.

Die gesetzliche Verankerung von „Faire Integration“ untermauert die Ernsthaftigkeit des Angebots und dient dem verlässlichen Erhalt des erarbeiteten Standards in seiner Struktur und Qualität. Mit der Verstetigung kommt der Gesetzgeber zugleich dem vom BT-Aus-schuss für Arbeit und Soziales am 17. Juni 2020 erteilten Auftrag nach, eine Verstetigung von „Faire Integration“ in Trägervielfalt zu prüfen (BT-Drs. 19/20145). Die Finanzierung der Beratung ist für das Kalenderjahr 2026 geplant.

Auf Grund des hohen bürokratischen Aufwands und der Arbeit der Erstansprechstelle vorgelagert gewinnt die Einschaltung dritter Institutionen, die sich um die Kontaktherstellung zwischen potenziellem Arbeitgeber und der Fachkraft kümmert und zentral Formalitäten abwickelt, zunehmend an Bedeutung. Der Mehrwert beschränkt sich nicht nur auf formelle organisatorische Prozesse, sondern betrifft auch die nachhaltige Sicherung des Fachkräf-tepotentials. Viele unserer Mitgliedsunternehmen können deshalb auf die fundierte Expertise und Unterstützung von dritten Institutionen zurückgreifen, da sie selbst die notwendigen Ressourcen nicht aufbringen können. Wünschenswert wäre, wenn diese Formen der Kooperation, in einem vertretbaren Maß berücksichtigt werden könnten. Selbst-verständlich bedarf es auch hier regelnder Mechanismen, um Missbrauch vorzubeugen. Zu entwickeln wären nachvollziehbare und belastbare Kriterien, die einer Zulassung zugrunde liegen.


Berlin / Stuttgart, 03.03.2023