Stellungnahme – Tariftreuegesetz

Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMAS und BMWK zur

Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes und weitere Maßnahmen (Tariftreuegesetz)

Der Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. (VDP) ist die bundesweite Interessenvertretung der Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft, die durch Weiterbildung und Qualifizierung eine (Wieder-)Eingliederung von Ausbildungs- und Arbeitssuchenden in den Arbeitsmarkt ermöglichen und dabei häufig als Auftragnehmer in öffentlichen Vergaben auftreten.

Der VDP ist als Verband bisher kein Tarifpartner. Jedoch sind seine Mitgliedseinrichtungen von den Regelungen des Bundestariftreuegesetzes erheblich betroffen, da es umfassende Verpflichtungen für öffentliche Auftragnehmer zur Einhaltung tariflicher Standards vorsieht. Dies beeinflusst unmittelbar die Gestaltung und Umsetzung der arbeitsvertraglichen Bedingungen der Bildungseinrichtungen.

Obwohl der VDP die Zielsetzung des Gesetzes, faire Arbeitsbedingungen und eine verantwortungsvolle Verwendung öffentlicher Mittel zu fördern, grundsätzlich befürwortet, sieht der VDP in wesentlichen Punkten Klärungs- und Anpassungsbedarf. Wir merken an, dass die sehr knapp bemessene Frist zur Stellungnahme in einer solch zentralen Frage der Arbeitsverhältnisse einen fundierten innerverbandlichen Austausch stark erschwert. Eine längere Frist wäre notwendig gewesen, um die Auswirkungen umfassend zu bewerten. In der Kürze der Zeit beschränken wir uns daher auf Rückmeldungen zu drei wesentlichen Aspekten:

§ 1 Anwendungsbereich

Der Entwurf des Bundestariftreuegesetzes legt fest, dass es für Vergaben mit einem Wert ab 25.000 € durch öffentliche Auftraggeber gilt, die der Bund überwiegend verwaltet, finanziert oder beaufsichtigt, oder bei denen er die Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführung oder des Aufsichtsgremiums bestimmt. Zudem muss das Vergabeverfahren nach Inkrafttreten des Gesetzes begonnen worden sein. Der Anwendungsbereich ist ausgeschlossen, wenn die Vergabe nach § 107 GWB nicht dem Vergabeverfahren unterliegt.

Für die Bildungsträger im VDP bedeutet dies, dass künftige Vergaben durch die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Rentenversicherung unter das Tariftreuegesetz fallen. Da Bildungsträger bereits in einem stark regulierten Markt tätig sind, ist eine präzise Abgrenzung entscheidend. Eine klare Definition des Anwendungsbereichs kann dazu beitragen, unnötige Rechtsunsicherheiten und damit verbundenen zusätzlichen Planungsaufwand zu reduzieren. Dies auch in Hinblick auf Vergaben der Jobcenter (Optionskommune) und ESF-Mittel.

§ 10 Präqualifizierungsverfahren und negative Koalitionsfreiheit

Das im Entwurf vorgesehene Präqualifizierungsverfahren, das Auftragnehmer zur Einhaltung tariflicher Standards verpflichtet, berührt aus Sicht des VDP die negative Koalitionsfreiheit. Diese Freiheit steht für das Recht eines Unternehmens, sich nicht an einen Tarifvertrag zu binden oder keinem Arbeitgeberverband anzugehören, der Tarifverträge abschließt.

Für Bildungsträger, die einem OT-Arbeitgeberverband angehören, entstehen durch das Präqualifizierungsverfahren erhebliche Kosten- und Zeitbelastungen, da sie durch alternative Nachweise oder Zertifikate belegen müssen, dass sie die gleichen Standards wie tarifgebundene Unternehmen einhalten. Dies stellt einen bürokratischen Nachteil dar, der Unternehmen, die Mitglied in einem Verband mit tariflicher Bindung sind, so nicht entsteht. Für diese Mitglieder ist der tarifliche Nachweis bereits durch ihre Mitgliedschaft erbracht, was ihnen im Präqualifizierungsverfahren oft Vorteile verschafft.

Um die negativen Effekte zu begrenzen, schlägt der VDP vor, alternative Nachweise und Zertifikate für tarifliche Standards als gleichwertig anzuerkennen, um sicherzustellen, dass nicht-tarifgebundene Bildungsträger im Präqualifizierungsverfahren fair berücksichtigt werden und ihre tarifliche Neutralität bewahren können.

Bürokratie und zusätzliche Kostenbelastungen

Das Gesetz führt zu einem erheblichen Anstieg des bürokratischen Aufwands, da umfangreiche Dokumentationspflichten und Nachweise zur Tariftreue gefordert werden, insbesondere für Nachunternehmer und Leiharbeitskräfte. Viele Bildungsträger im VDP sind kleine und spezialisierte Einrichtungen, die bereits durch bestehende Vorschriften einen erheblichen Verwaltungsaufwand tragen. Zusätzliche Dokumentationspflichten würden sie unverhältnismäßig belasten. Der VDP fordert daher eine Reduzierung der Bürokratieanforderungen und eine Vereinfachung der Nachweispflichten für Kleinstaufträge, um eine wirtschaftliche und effektive Umsetzung des Gesetzes sicherzustellen.

Einbindung aller Akteure der Weiterbildungsbranche

Bisher verhandelt die Zweckgemeinschaft des Bundesverbands der Träger der Beruflichen Bildung (BBB)  gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für einen Teil der sich an öffentlichen Vergaben beteiligten den „Tarifvertrag über einen Mindestlohn in der Weiterbildung“. Dieser Tarifvertrag legt Mindestarbeitsbedingungen und einen tariflichen Mindestlohn für pädagogische Mitarbeitende fest, die in öffentlich geförderten Weiterbildungsmaßnahmen – insbesondere im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit oder der Jobcenter – tätig sind. Der Tarifvertrag wird durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für allgemeinverbindlich erklärt, wodurch er auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber in diesem Bereich der öffentlich geförderten Weiterbildung gilt.

Der VDP sieht im Bundestariftreuegesetz einen wertvollen Impuls, die Möglichkeit eines Tarifvertrags für die gesamte Weiterbildungsbranche in Betracht zu ziehen. Ein solcher Tarifvertrag sollte jedoch darauf abzielen, alle relevanten Akteure und Bildungsträger einzubinden und die vielfältigen Anforderungen und Zielgruppen in der Weiterbildungslandschaft zu berücksichtigen. Nur durch eine branchenweite Abstimmung, an der alle maßgeblichen Bildungsverbände beteiligt sind, kann ein Tarifvertrag entstehen, der die unterschiedlichen Bedarfe der Bildungsanbieter abdeckt und faire Standards für alle schafft.

Zusammenfassung
Der VDP fordert daher eine klare Abgrenzung des Anwendungsbereichs, die Berücksichtigung alternativer Nachweise im Präqualifizierungsverfahren und eine Reduzierung des bürokratischen Aufwands, insbesondere für kleinere und spezialisierte Bildungsträger. Wir begrüßen die Zielsetzung des Gesetzes, setzen uns jedoch für eine faire und umsetzbare Lösung für Bildungsanbieter ein, die die Vielfalt der Weiterbildungsbranche widerspiegelt und gleichzeitig eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen ermöglicht.

 

Berlin, im Oktober 2024

Verband Deutscher Privatschulverbände e.V., Ellen Jacob, Bundesgeschäftsführerin