Stellungnahme des Verbands Deutscher Privatschulverbände e.V. zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums für Gesundheit
Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer bundeseinheitlichen Pflegeassistenzausbildung [Pflegehilfeausbildung]
Vorbemerkung
Der politische Handlungsdruck ist bekannt: Die prognostizierte Zunahme pflegebedürftiger Menschen erfordert weiterhin den Ausbau, die Attraktivitätssteigerung und die Gewinnung von deutlich mehr Menschen für eine Tätigkeit in der Pflege. Neben einer rein quantitativen Zunahme pflegebedürftiger Menschen kommt hinzu, dass nun die Generation der Babyboomer verstärkt das Renteneintrittsalter erreicht und eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt.
Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes von Anfang 2024 verdeutlichen die Dringlichkeit der Situation: Bis 2029 werden bundesweit zwischen 60.000 und 260.000 Pflegekräfte fehlen. Diese Spannbreite beruht auf unterschiedlichen Annahmen. Die geringere Zahl geht davon aus, dass sich der positive Trend der letzten Jahre fortsetzt. Doch selbst diese optimistische Annahme zeigt, dass die bisherigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anstrengungen nicht ausreichen, um die Lücke zu schließen.
Es wird daher entscheidend sein, weiterhin alle Potenziale für zukünftige Fach- und Hilfskräfte zu motivieren, eine Qualifizierung in der Pflege zu beginnen. Gleichzeitig muss die Ausbildung so gestaltet sein, dass die zukünftigen Pflegekräfte qualifiziert auf die großen Herausforderungen ihrer beruflichen Tätigkeit vorbereitet sind. Eine qualifizierte und ausreichende pflegerische Versorgung kann nur durch eine praxisnahe und ressourcenschonende Ausbildung, eine klare Definition der Kompetenzen sowie die Einbeziehung aller relevanten Akteure und Einrichtungen sichergestellt werden.
Der vorliegende Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung einer bundeseinheitlichen Pflegeassistenz- bzw. -helferausbildung ist als bundeseinheitliche Regelung längst überfällig. Besonders zu begrüßen ist die an das Pflegeberufegesetz angelehnte Finanzierung der Ausbildung und das Recht der Auszubildenden auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Damit wird jungen Menschen mit Berufsreife bzw. Hauptschulabschluss ein erster Berufsabschluss in der Pflege ermöglicht, der bundesweit anerkannt ist und den Übergang zur Pflegefachausbildung erleichtert.
Dennoch werden wir im Folgenden zentrale Punkte herausgreifen, die Teil einer kritischen Diskussion im Gesetzgebungsverfahren sein müssen. Es ist dringend notwendig, Konsequenzen aus den bisherigen Erfahrungen mit der generalistischen Pflegefachkraftausbildung seit 2020 zu ziehen. Insbesondere darf die neue Assistenz- bzw. Helferausbildung nicht zu einer weiteren Verknappung der bestehenden Einrichtungen für die Praxiseinsätze, des Lehrpersonals bzw. der Pflegepädagogen und der notwendigen Praxisanleiter führen.
Im Folgenden positioniert sich der Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. (VDP) insbesondere hinsichtlich der bildungs-, arbeitsmarkt- und berufspolitisch sinnvollen Ausbildungsdauer einer künftigen bundeseinheitlichen Assistenz- bzw. Helferausbildung. Der VDP, der bundesweit unter anderem Pflegeschulen in freier Trägerschaft vertritt, befasst sich als Interessensvertretung von Pflegeschulen vor allem mit den Auswirkungen der Reform auf den schulischen Ausbildungsbereich. Dabei hat der VDP die gesamtgesellschaftliche Verantwortung im Blick, dass die Pflegebranche eine Wachstumsbranche mit steigendem Bedarf an qualifizierten, motivierten und langjährig in der Branche tätigen Fachkräften ist.
Zu den geplanten Änderungen im Einzelnen
Artikel I – PflAssG [PflHilfG]-RefE
§ 1 Führen der Berufsbezeichnung in Verbindung zu § 5 Dauer und Struktur der Ausbildung
Hinsichtlich zur Diskussion gestellten Dauer der Ausbildung positioniert sich der VDP deutlich für eine einjährige Helferausbildung, für die es bereits positive Umsetzungsbeispiele in den Bundesländern gibt.
Eine einjährige Ausbildung als niedrigschwelliges Angebot bietet unter anderem Quereinsteigenden und Erstauszubildenden eine attraktive Einstiegsmöglichkeit in den Pflegeberuf und birgt zudem das Potenzial, neues Pflegepersonal schnell mit den entsprechenden Fähigkeiten auszustatten, um den Pflegebedürftigen binnen kürzester Zeit zur Verfügung zu stehen. Es ist ferner anzunehmen, dass die Klientel, welche sich für eine Tätigkeit in der Pflege interessiert, jedoch nicht die entsprechenden Voraussetzungen für die Pflegefachkraftausbildung mitbringt, eher von einer kürzeren Ausbildungsdauer angesprochen sein wird.
Eine bundeseinheitlich geregelte einjährige Helferausbildung mit Ausbildungsvergütung ist ein wichtiges Angebot zur Gewinnung weiterer Pflegekräfte, es werden mehr potenziell Interessierte angesprochen und eine einjährige Ausbildungszeit garantiert die flächendeckende und breite Umsetzbarkeit durch die Pflegeschulen.
Die Einführung einer 18-monatigen Ausbildungsdauer stellt sowohl organisatorisch als auch personell eine enorme Herausforderung für die Schulen dar. Dies würde in der Konsequenz dazu führen, dass immer ein Ausbildungsgang abgeschlossen sein müsste, bevor ein neuer beginnen kann, wodurch sich eine Lücke von einem halben Jahr ergibt. Dadurch würde die Anzahl der dringend benötigten Absolventen mit Helferqualifikation eher sinken als ansteigen. Es ist schwierig, Stunden- und Lehrpläne von der dreijährigen Ausbildung auf die 18-monatige Ausbildung zu harmonisieren, beispielsweise bei einem Schulbeginn im April.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erscheint es zielführender, eine solide 12-monatige Helferausbildung anzubieten, bei der die im vorliegenden Entwurf geforderten Pflichteinsätze mindestens reduziert werden sollten. Ein einziger Pflichteinsatz würde genügen. Diese Reduktion ist dringend geboten, da der Mangel an Praxisstellen in der generalistischen Ausbildung bereits evident ist. Es besteht die realistische Gefahr, dass bei Beibehaltung der geforderten Pflichteinsätze Ausbildungsplätze in der Helferausbildung unbesetzt bleiben, weil die Pflichteinsatzstellen nicht zur Verfügung stehen.
Dass eine solche den Anforderungen entsprechende, generalistisch angelegte Ausbildung auch mit einer Ausbildungszeitdauer von 12 Monaten möglich ist, zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen seit 2021. Neben der Pflege und Begleitung von Menschen aller Altersstufen übernehmen die einjährig ausgebildeten Pflegefachassistenten ihnen von Pflegefachpersonen zugewiesene Aufgaben bei der Durchführung ärztlich verordneter therapeutischer und diagnostischer Interventionen. Diese Aufgaben sind Bestandteil der Kompetenzerlangung im Rahmen der theoretischen und fachpraktischen sowie praktischen Ausbildung.
Eine 18-monatige Ausbildung würde in 50 % der Fälle zu einer 6-monatigen Wartezeit führen, um in die dreijährige Ausbildung zu wechseln. Derzeit wechseln bis zu 40 % der Absolventen der 12-monatigen Ausbildung in die dreijährige Ausbildung. Die dreijährige Ausbildung zweimal im Jahr anzubieten, ist für kleine bis mittlere Schulen aus organisatorischen, räumlichen und personellen Gründen nicht machbar.
Die personellen und infrastrukturellen Kapazitäten sind für eine längere Ausbildungsdauer derzeit nicht ausreichend. Es bräuchte mindestens 50 % mehr Lehrkräfte, die auf dem Arbeitsmarkt jedoch nicht zur Verfügung stehen. Ein Zeithorizont von 1,5 Jahren für die Ausbildung ist betriebswirtschaftlich nicht abbildbar und bietet keinerlei Planungssicherheit.
Insgesamt würde es weniger Einrichtungen geben, die zur Ausbildung bereit wären, und weniger Bewerber, die sich auf eine PFH-Ausbildung einlassen würden. Die Befugnisse der Absolventen würden sich durch die Verlängerung der Ausbildung nicht ändern. Vor allem ältere Bewerber (40+) würden bei einer Verlängerung wegfallen. Ein Jahr ist für viele Interessenten überschaubar und gut planbar.
§ 4 (Ausbildungsziel)
Hier schlägt der VDP – bspw. in Anlehnung an die Ausgestaltung in NRW – folgende Regelung und Formulierung vor: „Die Ausbildung für generalistisch ausgebildete Pflegefachassistentinnen und Pflegefachassistenten soll insbesondere dazu befähigen, Pflegefachpersonen bei der Erfüllung pflegerischer Aufgaben zu unterstützen, deren Anordnungen fachgerecht unter entsprechender Aufsicht durchzuführen, die durchgeführten Maßnahmen den fachlichen und rechtlichen Anforderungen entsprechend zu dokumentieren und die erforderlichen Informationen weiterzuleiten.“ Damit wäre eine klare Beschreibung der Aufgaben unter Beachtung der Kompetenzen einer Pflegefachperson gegeben.
§ 5 Abs. 2 (Dauer und Struktur der Ausbildung)
Es wäre für Schulen, die bereits über die Anerkennung einer Berufsfachschule Pflege verfügen und die dreijährige generalistische Pflegeausbildung umsetzt von Bedeutung, wenn an die Aufnahme der Pflegeassistenzausbildung ein vereinfachtes Anerkennungsverfahren gekoppelt wäre.
Demnach ist darauf zu achten, dass eine Regelung im Gesetz verankert ist, welche auch Schulen die Ausbildung nach dem bundeseinheitlichen Gesetz durchführen dürfen, die sich (noch) im Anerkennungsverfahren befinden. Gemeint sind damit Schulen, die sich im Anerkennungsverfahren für die landesrechtliche Pflegehelferausbildung befinden und die Ausbildung bereits durchführen (staatliche Genehmigung liegt vor), die staatliche Anerkennung jedoch noch aussteht.
§ 5 Abs. 3 (Dauer und Struktur der Ausbildung) und § 6 Abs. 2 (Durchführung der praktischen Ausbildung
Regelungen zu Einsätzen, die keine Pflichteinsätze sind, sollten aus Sicht des VDP gestrichen werden. Weder im Rahmen einer 12-monatigen noch bei einer 18-monatigen Ausbildungsdauer, sind noch zeitliche Kapazitäten vorhanden, neben den Pflichteinsätzen, weitere Praktika abzuhalten.
Sowohl die Kapazitäten für die Praxisanleitung als auch für die Praxisbegleitung sind bereits für die Pflegefachkraftausbildung nicht vorhanden. Die Forderung, diese nunmehr auch bei der Helfer-/Assistenzausbildung in dem geforderten Umfang bereitzustellen, wird dazu führen, dass die Ausbildungskapazitäten angesichts des hierfür nicht vorhandenen, aber benötigten Personals weiter absinkt.
Der festgeschriebene Anteil von 10% Anleitungszeit in der praktischen Ausbildung ist zu begrüßen, wird jedoch im Hinblick auf die immer noch zu geringe Anzahl von geeigneten berufspädagogisch weitergebildeten Pflegefachkräften sowie vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels schwer umzusetzen sein.
Gleichwohl sollte diskutiert werden, ob für zukünftige Pflegefachassistentinnen und Pflegefachassistenten auch der Weg für eine Weiterbildung zur Praxisanleitung Pflegefachassistenz ermöglicht werden soll.
§ 6 Abs. 1 (Durchführung der praktischen Ausbildung) in Verbindung § 7 (Träger der praktischen Ausbildung)
Die Verpflichtung zu einem Pflichteinsatz im Bereich der stationären Akutpflege ist sehr kritisch zu bewerten. Bereits jetzt stehen im Rahmen der Fachkraftausbildung nicht ausreichend Plätze in der stationären Akutpflege in Krankenhäusern zur Verfügung. Wenn im Rahmen der Helfer- bzw. Assistenzausbildung alle Auszubildenden unabhängig vom Träger der praktischen Ausbildung ebenfalls einen Pflichteinsatz in der stationären Akutpflege absolvieren müssen, ist zu befürchten, dass es zu weiteren Engpässen kommt. Dies würde letztlich dazu führen, dass weniger Auszubildende ausgebildet werden können.
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass Rehabilitationskliniken erneut keine Pflichteinsätze anbieten dürfen und auch nicht als Träger der praktischen Ausbildung agieren können. Angesichts der bereits angespannten Situation bei der Versorgung von Auszubildenden mit externen Pflichteinsätzen im Bereich der Akutversorgung/Krankenhäuser ist es dringend erforderlich, die Möglichkeiten zur Absolvierung der Pflichteinsätze auch auf Rehabilitationskliniken auszudehnen. Gleiches gilt für die zugelassenen Träger der praktischen Ausbildung. Auch hier sollten Rehabilitationseinrichtungen als Träger der praktischen Ausbildung zugelassen werden.
In den Bundesländern, in denen Rehabilitationskliniken bereits jetzt Träger der praktischen Ausbildung im Rahmen der Pflegehelferausbildung sind, würde diese gesetzliche Neuregelung einen deutlichen Rückschritt darstellen und zu erheblichem Erklärungsbedarf gegenüber den betroffenen Einrichtungen führen.
§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 (Mindestanforderungen an Pflegeschulen)
Ein erheblicher Engpass in der Pflegefachkraftausbildung und perspektivisch in der Pflegeassistenz- bzw. Pflegehelferausbildung besteht im Bereich des Lehrpersonals. Dieser Mangel führt bereits jetzt dazu, dass viele Pflegeschulen ihre Ausbildungskapazitäten im Bereich der Pflegefachkraftausbildung nicht bedarfsgerecht erhöhen können und teilweise Ausbildungsplätze abbauen oder ganze Schulen schließen müssen.
Dieser akute Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal für die Pflegefachkraftausbildung wird noch weiter verschärft, wenn für die Helfer- bzw. Assistenzausbildung die gleichen Maßstäbe an die Qualifikation der Lehrkräfte angelegt werden. Bereits für einen Ausbildungsgang sind die künftigen Bedarfe nicht sichergestellt. Es herrscht ein erheblicher Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird.
Daher muss zwingend eine Anpassung der Qualifikationsanforderungen für Lehrkräfte vorgenommen werden. Auf Bundesebene sollte deutlich gemacht werden, dass die Anforderungen an die Qualifikationen der Lehrkräfte praxisnah und realistisch gestaltet werden müssen. Es wird weder aktuell noch in naher Zukunft ausreichend qualifiziertes Personal geben. Das Festhalten an hohen Maßstäben wird zur Schließung von Pflegeschulen aufgrund fehlenden Lehrpersonals, zum Wegfall von Ausbildungsplätzen und folglich zum Mangel an Fachkräften führen. Ein pflegepädagogischer Abschluss auf Bachelor-Niveau sollte daher ausreichend sein. Weitere Studienabschlüsse wie Pflegemanagement und Gesundheitswissenschaften sollten ebenfalls berücksichtigt werden.
Angesichts der knappen Ressourcen an entsprechend qualifizierten Lehrkräften sollte das Lehrer-Schüler-Verhältnis praxisgerecht angepasst werden. Ein Verhältnis von 1:25 könnte hier eine praktikable Lösung darstellen.
§ 13 (Modellvorhaben zur Weiterentwicklung des Pflegeassistenzberufs/ Pflegehilfsberufs)
Hier sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass ausdrücklich auch Pflegeschulen in freier Trägerschaft Modellvorhaben umsetzen dürfen.
Sinnvolle Anpassungen im Pflegeberufegesetz bzw. bei der Ausbildung zur Pflegefachkraft:
Mit der nun neu eingeführten bundeseinheitlichen Pflegeassistenz/-hilfeausbildung sollte im Pflegeberufegesetz die Möglichkeit verankert werden, dass nach erfolgreichem Bestehen der Zwischenprüfung der generalistischen Pflegeausbildung der Abschluss als „Pflegeassistent/in“ erworben werden kann. Diese Option sollte für Auszubildende vorgesehen sein, die die Fachkraftausbildung nicht erfolgreich abschließen. Dadurch wird die Kompetenzlücke zwischen Pflegehelfern und Fachkräften geschlossen und den Auszubildenden die Chance gegeben, mit einem erweiterten Kompetenzprofil in Pflegeeinrichtungen als Pflegeassistenten zu arbeiten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass dieser Personenkreis der Pflege im Falle des Nichtbestehens der Abschlussprüfung verloren geht.
Berlin, im August 2024
Verband Deutscher Privatschulverbände
gez. Ellen Jacob, VDP-Bundesgeschäftsführerin