Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024 – E)
Neufassung § 4 Nr. 21 UStG-E – Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen
Die Bundesregierung hat Anfang Juni mit Kabinettsbeschluss den Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 an den Bundestag zu weiteren Beratungen übergeben. Die unterzeichnenden Verbände dieser Stellungnahme – BBB e.V. und VDP e.V. – sind Unternehmensverbände, die die Interessen von Schulen, Bildungs- und Beschäftigungsunternehmen sowie Arbeitsmarktdienstleistern vertreten. Dabei repräsentieren die Verbände das gesamte freie Bildungs- und Beschäftigungswesen von der frühkindlichen Bildung über allgemein- und berufsbildende Schulen, Hochschulen, betriebliche und private Weiterbildung, berufliche Erwachsenenbildung, Arbeitsmarktdienstleistungen und Beschäftigungsangeboten.
Wir merken kritisch an, dass das Bundesfinanzministerium uns nicht als die relevanten Interessensverbände m Rahmen der Verbändebeteiligung angehört hat. Dies ist in Anbetracht der hohen Relevanz für die Arbeit der Bildungsträger problematisch für die Akzeptanz der geplanten Neuregelung.
Geplant ist eine Änderung des § 4 Nr. 21 UStG-E bei der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen mit der die Bundesregierung anstrebt, die umsatzsteuerliche Behandlung von Bildungsleistungen vor dem Hintergrund einer europaweiten Harmonisierung an die Mehrwertsteuerrichtlinie (2006/112/EG) anzupassen. Angemerkt sei, dass diese Änderung im Wesentlichen dem bereits 2019 im parlamentarischen Verfahren gescheiterten Vorschlag entspräche.
Allerdings gibt es weiterhin gewichtige Argumente, die bisherige Regelung beizubehalten:
- Ausschluss privater Einrichtungen mit „systematischer Gewinnerzielungsabsicht“
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht in § 4 Nummer 21 a) Satz 2 vor, dass künftig Leistungen im Bereich der Fortbildung, die von Bildungsträgern erbracht werden, die eine „systematische Gewinnerzielung anstreben“, umsatzsteuerpflichtig sind, auch wenn sie gegenüber nicht-vorsteuerabzugsberechtigten Einrichtungen bzw. Endkunden erbracht werden. Damit sieht der Entwurf den Ausschluss der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsanbieter bei bestimmten Bildungsleistungen vor. Diese Änderung birgt die Gefahr, dass Anbieter gleicher Bildungsleistungen an dieselbe Zielgruppe steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Bisher steuerbefreite Bildungsleistungen würden zukünftig besteuert werden.
Als Konsequenz daraus droht Bildungsinteressierten eine deutliche Verteuerung ihrer Fortbildungsteilnahme. In dem ohnehin preissensitiven Markt wird dies zwangsläufig zu einem deutlichen Nachfragerückgang führen. Der dadurch entstehende Wettbewerbsnachteil gegenüber juristischen Personen öffentlichen Rechts, die grundsätzlich von dem Ausschluss der Steuerbefreiung nicht betroffen sind, ist nicht zu begründen.
Aber auch Berufsverbände oder gemeinnützige Einrichtungen können durch die geplanten Regelungen stärker belastet werden, wenn sie nach momentanem Verständnis nicht ausschließlich auf die Erbringung von Bildungsleistungen ausgerichtet sind. Ein Großteil der Leistungsempfänger sind zudem private Personen, die keinen Vorsteuerabzug tätigen können und somit von höheren Kosten getroffen werden.
Des Weiteren führt die vorgeschlagene Neufassung dazu, dass sich die Kosten für Fortbildungen an Schulen durch die Einführung erheblich erhöhen. Bislang waren diese Fortbildungsleistungen an Schulen von der Mehrwertsteuer befreit. Da Schulen nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, tragen sie künftig die vollen Kosten inklusive Umsatzsteuer. Es ist unwahrscheinlich, dass Anbieter von Lehrerfortbildungen von ihren Gewinnerzielungsabsichten absehen. Insbesondere müssen innovative technologische Schulungsangebote, wie beispielsweise solche zum Einsatz von künstlicher Intelligenz, von unternehmerischem Denken geprägt sein, um kontinuierlich qualitativ hochwertige Weiterbildung sicherzustellen.
Die Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung verteuert die dringend benötigten Fortbildungen an Schulen und schränkt deren Durchführung ein, was wiederum die Qualität des Unterrichts negativ beeinflusst. Lehrkräfte, die nicht regelmäßig fortgebildet werden, nutzen moderne pädagogische Methoden und technologische Hilfsmittel weniger effektiv. Ohne entsprechende Schulung nutzen selbst hochwertige digitale Geräte wenig. Technische Weiterbildungen sind essenziell, um Lehrern die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln, mit denen sie digitale Tools und Plattformen im Unterricht effektiv einsetzen. Fehlen diese Fortbildungen, bleiben viele technische Möglichkeiten ungenutzt, und die Investitionen in digitale Ausstattungen erzielen nicht die gewünschte Wirkung auf die Bildungsqualität. Faktisch bedeutet dies, dass die Bundesregierung mit milliardenschweren Programmen die Ausstattung der Schulen gefördert hat, und jetzt bei der Ausbildung für deren Anwendung die Mittel hierfür rückfinanziert werden.
Die geplante Neuregelung hat zudem erhebliche Auswirkungen auf die Lehrkräftebildung. Angesichts des aktuellen Lehrermangels sind private Bildungsträger unerlässlich, um Quereinsteiger und Seiteneinsteiger auszubilden und damit den Bedarf an qualifizierten Lehrkräften zu decken. Vor allem kleinere Träger sind hierzu nicht selbst in der Lage, müssen diese Ausbildung von Externen einkaufen. Private Schulen und Bildungseinrichtungen tragen doppelt zur Lösung des Lehrermangels bei, indem sie eigene Programme zur Qualifizierung von Lehrkräften finanzieren. Durch die Besteuerung werden diese Einrichtungen zusätzlich belastet, obwohl sie den Lehrermangel nicht verursacht haben.
Der Ausschluss und die steuerliche Schlechterstellung der Fortbildungsangebote privater Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht muss insbesondere vor dem Hintergrund eines politisch gewollten Ausbaus der Weiterbildungsbeteiligung überdacht werden. Das umsatzsteuerliche Konzept der „Einrichtung ohne systematische Gewinnerzielungsabsicht“ ist inhaltlich nicht mit den gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen abgestimmt. So ist laut § 58 Nr. 1 AO die Ausschüttung von Gewinn an steuerbegünstigte Gesellschafter zulässig, laut Umsatzsteuergesetz soll die Verteilung von Gewinn in Widerspruch zum Konzept der „Einrichtung ohne systematische Gewinnerzielung“ und damit steuerschädlich sein. Für steuerbegünstigte Konzernstrukturen, bei denen die Ausschüttung von Gewinn an die jeweiligen steuerbegünstigten Gesellschafter Teil des steuerbegünstigten Gesamtkonzepts sind, führt die geplante Regelung zu Widersprüchen zwischen gemeinnützigkeitsrechtlichen und umsatzsteuerlichen Regelungen. Wenn also in § 4 Nr. 21 Buchstabe a) Satz 2 UStG steuerbegünstigte Körperschaften im Sinne der §§ 51 ff AO gemeint sind, dann sollte dies im Gesetz so formuliert sein. Wenn diese nicht gemeint sind, sollte darauf in der Gesetzesbegründung – auch mit Blick auf die Nummern 18 und 23 Buchstabe c) des § 4 UStG, die die gleiche Terminologie verwenden.
- Bescheinigungsverfahren für die Steuerfreiheit der Bildungsleistungen nicht öffentlicher Bildungseinrichtungen
Nach Neufassung des § 4 Nummer 21 UStG-E soll für die Steuerfreiheit der Bildungsleistungen nicht öffentlicher Bildungseinrichtungen eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nicht mehr erforderlich sein. Der Gesetzgeber argumentiert, dass mit der Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens mehr Rechtssicherheit erlangt werde und die Problematik der Rückwirkung bzw. rückwirkenden Durchsetzung entfalle.
Dieser Argumentation der Gesetzesbegründung folgen wir nicht. Wollten Bildungsträger zukünftig Rechtssicherheit für ihre Bildungsangebote haben, müssten sie entweder für jedes Bildungsangebot eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt einholen oder die endgültige rechtliche Klärung erfolgt in einer eventuellen Betriebsprüfung, die ggf. in ihrer Konsequenz zu existenzbedrohenden Steuernachzahlungen führen könnte
Um Zuständigkeit von mehreren Behörden und Ansprechpartnern zu vermeiden, sollte ein Bescheinigungsverfahren durch das Finanzamt durchgeführt werden. Dies würde die Rechtssicherheit für die Bildungsträger erhalten und somit ggf. auch Steuernachzahlungen und Rechtsstreitigkeiten vermeiden.
- Steuerbefreiung von Bildungsleistungen nach SGB II und SGB III
Nach § 4 Nummer 21 Satz 2 USTG-E sind Bildungsleistungen im Rahmen von Eingliederungsleistungen nach dem SGB II, Leistungen der Arbeitsförderung nach dem SGB III sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach SGB IX nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nummer 15b und 15c UStG umsatzsteuerfrei
Die Steuerbefreiung von Bildungsleistungen nach SGB II und SGB III wird durch den unveränderten § 4 Nummer 15 UStG grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Es muss aber – ggf. durch flankierende Maßnahmen – sichergestellt werden, dass die wegfallenden gesetzlichen Definitionen der Begriffe „Ausbildung“, „Fortbildung“ und „berufliche Umschulung“ durch den Verweis auf Art. 44 S. 2 der MwStVO der EU keine sachliche Änderung zur Folge haben.
Der Verweis auf Art. 44 S. 2 MwStVO hat insbesondere zur Konsequenz, dass die Dienstleistungen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung in der Praxis keine klar voneinander abgegrenzten Kategorien sind. Denn in Art 44 S. 2 heißt es:
„Die Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, (…)
umfassen Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher
Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist
hierfür unerheblich.“
Das heißt: In der EU-Richtlinie wird kein Unterschied zwischen den drei Begriffen Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung gemacht, sondern alle drei Typen werden gleichbehandelt. Demgegenüber wird im Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 die Umsatzsteuerbefreiung für die Kategorie „Fortbildung“ eingeschränkt und von der Gewinnerzielungsabsicht des Anbieters abhängig macht. Das ist mit dem Verweis auf Art. 44 S. 2 MwStVO gerade nicht vereinbar.
Berlin, im Juli 2024
Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V.
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.