Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften

Hier: Neufassung § 4 Nr. 21 UStG-E – Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen

Das Bundeskabinett hat am 31. Juli 2019 den vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlichen Vorschriften verabschiedet. In diesem sind u.a. zentrale Änderungen der Umsatzsteuer-Befreiungsvorschriften für Bildungsleistungen vorgesehen, zu denen sich die unterzeichnenden Verbände bag Arbeit, Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V. und Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. im Folgenden positionieren. Bag Arbeit, BBB und VDP sind Unternehmensverbände, die die Interessen von Schulen, Bildungs- und Beschäftigungsunternehmen sowie Arbeitsmarktdienstleistern vertreten. Dabei repräsentieren die Verbände das gesamte freie Bildungs- und Beschäftigungswesen, von der frühkindlichen Bildung über allgemein- und berufsbildende Schulen, Hochschulen, betriebliche und private Weiterbildung, berufliche Erwachsenenbildung, Arbeitsmarktdienstleistungen und Beschäftigungsangeboten. Die drei Verbände vertreten zusammen ca. 80 Prozent der Unternehmen in den angeführten Bereichen.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene deutlich engere Auslegung der bisherigen Steuerbefreiungsregelungen und die dadurch steigende Steuerbelastung für die Teilnehmenden der Weiterbildung, die allen bildungspolitischen und insbesondere weiterbildungspolitischen Absichtserklärungen der Bundesregierung widersprechen, werden bildungspolitisch sehr kritisch gesehen und als massiv wettbewerbsverzerrend bewertet. Private Bildungsträger müssten nach den vorliegenden Plänen der Bundesregierung für alle ihre Umsätze die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen, auch für nicht-vorsteuerabzugsberechtigte Einrichtungen, wie z.B. private Endkunden und Schulen. In der Konsequenz werden sich die Fortbildungsgebühren für diese Zielgruppe spürbar erhöhen und voraussichtlich zu einem Nachfragerückgang führen. Diese Schlechterstellung der Bildungseinrichtungen in privater Trägerschaft gegenüber ihren staatlichen Pendants lehnen die unterzeichnenden Verbände ab. Da private Bildungsträger gemeinsam mit öffentlichen Anbietern einen wesentlichen Anteil am Weiterbildungsangebot sicherstellen, häufig Innovationsmotoren sind und zudem insbesondere das Konzept des Lebenslangen Lernens umsetzen, muss die geplante steuerliche Schlechterstellung ihrer Angebote dringend überdacht werden.

  1. Begrifflichkeiten
  1. Differenzierung zwischen allgemeiner und beruflicher Weiterbildung

Der Gesetzentwurf fasst die zentralen Bildungsleistungen in einer Norm zusammen. Im neugefassten § 4 Nr.21 UStG-E wird der Begriff der zentralen Bildungsleistungen deutlich enger gefasst gegenüber der bisherigen Regelung („Kurse wissenschaftlicher und belehrender Art“). Künftig sollen die Voraussetzung für eine Umsatzsteuerbefreiung die Qualifizierung einer Bildungsleistung als Schul- und Hochschulunterricht, Ausbildung und Fortbildung sowie berufliche Umschulung sein.

Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Gesetzgeber auf die bewährte Formulierung („Kurse wissenschaftlicher und belehrender Art“) verzichten will. Nicht sachgerecht ist die Verengung des Bildungsbegriffs auf die formale und berufliche Bildung. Der Begriff der Fortbildung wird u.a. in der Gesetzesbegründung eng verknüpft mit einer nicht mehr zeitgemäßen beruflichen Verwertbarkeit. Dieses Verständnis wird der modernen Arbeitswelt nicht gerecht, denn erforderliche Kompetenzen umfassen längst nicht nur IT-Schulungen, Anwender- und Sprachkurse oder Kommunikationsseminare, wie in der Gesetzesbegründung aufgeführt. Zu den Kompetenzen, die allgemein für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit qualifizieren, zählt eine große Bandbreite. Die heutige Weiterbildung verzahnt daher bewusst berufliche mit allgemeinbildenden Angeboten und ergänzt diese durch Vorbereitungsmaßnahmen.

Zudem kommt Allgemeinbildung auch denjenigen zugute, die nicht oder nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Engführung der Umsatzsteuerbefreiung auf den Schul- und Hochschulunterricht sowie die berufliche Bildung konterkariert die politisch gewollte Förderung des Lebenslangen Lernens und der Chancengerechtigkeit.

Petitum:

  • Aufhebung der im Gesetzestext vorgeschlagenen Engführung der Umsatzsteuerbefreiung auf den Schul- und Hochschulunterricht sowie die berufliche Bildung.
  • Steuerliche Gleichstellung allgemeinbildender und unmittelbar berufsbezogener Angebote, um eine zusätzliche steuerliche Belastung der Teilnehmenden zu vermeiden.
  • Auslegung des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“

Bisher sind Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen „Wissenschaftlicher oder belehrender Art“ nach § 4 Nr. 22 a UStG von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Einnahmen überwiegend zur Kostendeckung verwendet werden. Der neugefasste Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts in § 4 Nr.21 Buchst. a) Satz 4 UStG-E beschränkt nun die steuerbefreiten Bildungsangebote ein auf die spezifische Unterrichtsform „Vermittlung und Vertiefung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen je nach Fortschritt und Spezialisierung der Schüler und Studierenden.“). Diese Begriffsbestimmung des Schul- und Hochschulunterrichts bleibt auch in der Gesetzesbegründung unklar und wird zu Auslegungsschwierigkeiten führen. Im Zweifelsfall werden Träger ihre Angebote eher steuerlich belasten als sich dem Verdacht der Steuerverkürzung auszusetzen.

Der Gesetzgeber argumentiert vor dem Hintergrund des EuGH Urteils im Frühjahr 2019 („Fahrschul-Akademie“), dass spezialisierter Unterricht für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten gleichkommt. Bliebe es vor diesem Hintergrund bei der Formulierung des UStG-E, so könnten u.a. modulare Bildungsangebote, die sich in einzelne Kurse gliedern, nicht mehr steuerbefreit angeboten werden, da einzelne Kurse immer spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln.

Petitum:

  • Weit ausgelegte und eindeutige Begriffsdefinition des „Schul- und Hochschulunterrichts“ um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden
  • Neufassung der Begriffsbestimmung „Schul- und Hochschulunterricht“, die sich an den Vorgaben des EuGH orientiert, um Auslegungsschwierigkeiten zu minimieren. Die „Vermittlung und Vertiefung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen je nach Fortschritt und Spezialisierung der Schüler und Studierenden“ muss als Kern erhalten bleiben. Ebenso, dass der Unterricht dabei nicht unbedingt zu einer Abschlussprüfung führen oder eine Berufsausbildung vermitteln muss. 
  • Klare und eindeutige Regelungen für die Bildungsträger, um umsatzsteuerpflichtige von umsatzsteuerfreien Veranstaltungen rechtssicher abgrenzen zu können.
  1. Steuerbefreiungstatbestände

Vorbemerkung:

Private Bildungsanbieter, wie beispielsweise Berufsverbände oder gemeinnützige Einrichtungen, die auch Vorträge, Kurse o.Ä. anbieten, konnten diese Leistungen bisher unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 22 a UStG steuerfrei anbieten. Der Entwurf verändert und verschärft die Steuerbefreiungstatbestände, ohne dass dies u.E. in diesem Umfang sachlich geboten ist bzw. die Auswirkungen in der Anwendungspraxis ausreichend berücksichtigt sind.

Steuergesetzgebung muss die Ziele Steuergerechtigkeit herstellen und bewahren, Rechtsicherheit schaffen und Steuergerechtigkeit herstellen verfolgen. Mit Blick auf diese wichtigen Zielsetzungen enthält der Gesetzentwurf hinsichtlich der Steuerbefreiungstatbestände erhebliches Verbesserungspotential.

  • Das bisherige Umsatzsteuerbefreiungsverfahren ist aufwändig, lieferte aber bisher eine gewisse Rechtssicherheit. Das würde sich mit dem geplanten neuen Verfahren (Stichwort: „Bescheinigungsverfahren“) ändern, da Bildungsunternehmen eine entsprechende Einschätzung allein vornehmen müssten. Diese würde – statt einer Stärkung der Rechtssicherheit – ein hohes Risiko an Fehlern/ Fehleinschätzungen bergen. Aufwändige Korrekturen und ggf. massive steuerliche Nachzahlungen könnten die Konsequenz sein.
  • Der zugrunde liegende EuGH-Beschluss enthält keine rechtlichen Vorgaben, dass das in der Regel funktionierende und bewährte nationale Umsatzsteuerbefreiungsverfahren geändert werden müsste.
  • Der geplante Gesetzentwurf würde für eine steuerliche Ungleichstellung sorgen, indem identische Leistungen für Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen umsatzsteuerlich unterschiedlich bewertet werden würden. Grundsätzlich ist anzumerken, dass Umsatzsteuer das Entgelt für Lieferungen und sonstige Leistungen von Unternehmen besteuert. Der Bezugspunkt sind hier demnach Lieferungen und Leistungen, nicht aber die Art des Unternehmens. Es ist nicht nachvollziehbar, warum in der vom Gesetzgeber hier verfolgten Änderung, identische Leistungen ungleich besteuert werden sollen.

Im Einzelnen

  1. Ausschluss von privaten Anbietern, die nicht in ihrer Gesamtheit auf Bildungsleistungen ausgerichtet sind

§ 4 Nr.21 a) Satz 3 UStG-E bedeutet für private Anbieter von Weiterbildungsangeboten eine erhebliche Verschärfung des bisherigen Befreiungstatbestands. Die jetzt gewählte Formulierung des Gesetzentwurfs fordert von privaten Anbietern, dass sie in ihrer Gesamtheit auf Bildungsleistungen ausgerichtet sein müssen, anderenfalls sind sie nicht von der Steuerfreiheit umfasst. Hierdurch würde das Bildungsangebot dieser Einrichtungen verteuert und der Zugang zu deren Bildungsangeboten für die Teilnehmenden erschwert, da die Teilnehmer in der Regel kein Recht auf Vorsteuerabzug haben. Diese Verschärfung ergibt sich nicht zwingend aus den EU-Vorgaben (MwStSystRL und EuGH-Rspr.), sondern steht im Ermessen des nationalen Gesetzgebers.

Petitum:

  • Aufrechterhaltung der Umsatzsteuerfreiheit für gemeinnützige Einrichtungen und Berufsverbände, die gemäß Gesetz oder Satzung auch Bildungszwecke verfolgen und deren Einnahmen überwiegend kostendeckend verwendet werden.
  • Im neuen Gesetzestext sollten die bisher explizit genannten Einrichtungen beibehalten werden (Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, Volkshochschulen).
  • Ausschluss privater Einrichtungen mit „systematischer Gewinnerzielungsabsicht“

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass künftig Bildungsträger, die eine „systematische Gewinnerzielung anstreben“, für alle Umsätze die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen müssen, auch für nicht-vorsteuerabzugsberechtigte Einrichtungen bzw. Endkunden. Als Konsequenz daraus droht Bildungsinteressierten eine deutliche Verteuerung ihrer Fortbildungsteilnahme. In dem ohnehin preissensitiven Markt wird dies zwangsläufig zu einem deutlichen Nachfragerückgang führen.

Die Begrifflichkeit

Petitum:

  • Der Ausschluss und die steuerliche Schlechterstellung der Fortbildungsangebote privater Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht muss insbesondere vor dem Hintergrund eines politisch gewollten Ausbaus der Weiterbildungsbeteiligung überdacht werden.
  • Private Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsichten sollten steuerbefreit bleiben, wenn und insofern sie analog § 4 Nr.21 a) Satz 3 UStG in der Gesamtheit ihrer unternehmerischen Zielsetzung auf die Erbringung von Bildungsleistungen gerichtet sind. Dies betrifft sowohl die Erbringung von Fortbildungs- als auch Ausbildungsleistungen und Maßnahmen der beruflichen Umschulung.
  • Der Rechtsbegriff „Anstreben systematischer Gewinnerzielung“ ist als neuer Begriff m Steuerrecht näher zu definieren
  • Bescheinigungsverfahren für die Steuerfreiheit der Bildungsleistungen nicht öffentlicher Bildungseinrichtungen

Nach Neufassung des § 4 Nummer 21 UStG-E soll für die Steuerfreiheit der Bildungsleistungen nicht öffentlicher Bildungseinrichtungen eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nicht mehr erforderlich sein. Der Gesetzgeber argumentiert, dass mit der Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens mehr Rechtssicherheit erlangt werde und die Problematik der Rückwirkung bzw. rückwirkenden Durchsetzung entfalle.

Dieser Argumentation der Gesetzesbegründung folgen wir nicht. Wollten Bildungsträger zukünftig Rechtssicherheit für ihre Bildungsangebote haben, müssten sie entweder für jedes Bildungsangebot eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt einholen oder die endgültige rechtliche Klärung erfolgt in einer eventuellen Betriebsprüfung, die ggf. in ihrer Konsequenz zu existenzbedrohenden Steuernachzahlungen führen könnte

Petitum:

  • Um Zuständigkeit von mehreren Behörden und Ansprechpartnern zu vermeiden, sollte ein Bescheinigungsverfahren durch das Finanzamt durchgeführt werden. Dies würde die Rechtssicherheit für die Bildungsträger erhalten und somit ggf. auch Steuernachzahlungen und Rechtsstreitigkeiten vermeiden.
  • Steuerbefreiung von Bildungsleistungen nach SGB II und SGB III

Die Steuerbefreiung von Bildungsleistungen nach SGB II und SGB III wird durch den unveränderten § 4 Nummer 15 UStG grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Es muss aber – ggf. durch flankierende Maßnahmen – sichergestellt werden, dass die wegfallenden gesetzlichen Definitionen der Begriffe „Ausbildung“, „Fortbildung“ und „berufliche Umschulung“ durch den Verweis auf Art. 44 S. 2 der MwStVO der EU keine sachliche Änderung zur Folge haben.

Berlin, im September 2019

Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e.V.

Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V.

Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.