Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Pflegefachassistenzausbildung

Der Handlungsdruck ist enorm: Die demografiebedingt wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen erfordert einen strukturellen und qualitativen Ausbau der pflegerischen Versorgung über das bisherige Maß hinaus. Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2025 bundesweit über 115.000 Pflegefachstellen unbesetzt – ein historischer Höchststand. Bis 2029 wird je nach Modellrechnung mit einer Versorgungslücke von 60.000 bis 260.000 Pflegekräften gerechnet; selbst die optimistischsten Szenarien prognostizieren eine deutliche Unterdeckung.

Daher gilt es, sämtliche Potenziale zur Gewinnung und Qualifizierung von Fach- und Hilfskräften konsequent auszuschöpfen. Die Ausbildung muss qualitativ hochwertig, praxisnah und wirtschaftlich tragfähig gestaltet sein. Eine flächendeckende pflegerische Versorgung erfordert die Einbindung aller relevanten Akteure, eine praxiserprobte Ausbildungsstruktur und eine belastbare Finanzierung.

Der VDP begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung mit dem nun vorliegenden Referentenentwurf zur Einführung einer bundeseinheitlichen Pflegefachassistenzausbildung das Qualifizierungsangebot für eine weitere Zielgruppe vorantreibt. Die Orientierung an der Finanzierungslogik des Pflegeberufegesetzes sowie der Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung bilden wichtige Voraussetzungen für die Attraktivität und Umsetzbarkeit des neuen Bildungsgangs.

Gleichwohl bleiben zentrale Punkte offen, die auf Grundlage des Referentenentwurfs zwingend weiterentwickelt werden müssen. Der VDP fordert, aus den Erfahrungen der seit 2020 bestehenden generalistischen Pflegefachausbildung zu lernen. Die geplante Pflegefachassistenzausbildung darf nicht zu einer weiteren Überlastung der praktischen Ausbildungseinrichtungen oder zu einer Verschärfung des Lehrkräfteengpasses an den Pflegeschulen führen.

Als Interessenvertretung freier Träger von Pflegeschulen legt der VDP mit dieser Stellungnahme seine bildungs-, arbeitsmarkt- und versorgungspolitischen Positionen dar – mit dem Ziel, eine zukunftsfähige, finanzierbare und praxisnahe Qualifikation zur Pflegefachassistenz zu etablieren.

Refinanzierung von Schulsozialarbeit an Pflegeschulen in freier Trägerschaft

  • Schulsozialarbeit ist ein wesentlicher Bestandteil ganzheitlicher Bildungs- und Ausbildungsbegleitung – insbesondere in herausfordernden Berufsfeldern wie der Pflege. Sie fördert individuelle Bildungsbiografien, unterstützt Auszubildende in psychosozialen Belastungssituationen und kann Ausbildungsabbrüche effektiv verhindern.
  • Insbesondere bei der Pflegefachassistenz – die häufig gezielt auch bildungsbenachteiligte, quereinsteigende oder jüngere Zielgruppen anspricht – sind stabile soziale Rahmenbedingungen entscheidend für den Ausbildungserfolg. Angesichts zunehmend komplexer Lebenslagen der Auszubildenden stoßen Lehrkräfte hier oft an ihre Belastungsgrenzen.
  • Berücksichtigung in der Finanzierung: Um dieser Realität gerecht zu werden, sollte Schulsozialarbeit ausdrücklich als förderfähige Maßnahme im Rahmen der Pflegefachassistenzausbildung verankert werden. Weder im Referentenentwurf des Pflegefachassistenzgesetzes (PflFAssG) noch in den darin vorgesehenen Änderungen des Pflegeberufegesetzes oder in der geplanten Pflegeassistenzausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFinV) findet sich jedoch ein entsprechender Bezug. Der VDP spricht sich daher nachdrücklich dafür aus, Schulsozialarbeit in die Ausbildungsfinanzierung aufzunehmen.

Artikel I – PflAssG – RefE

§ 4 – Ausbildungsziel

Hier regt der VDP – beispielsweise in Anlehnung an die bewährte Formulierung in Nordrhein-Westfalen – folgende Ergänzung an:

„Die Ausbildung der generalistisch ausgebildeten Pflegefachassistentinnen und -assistenten soll insbesondere dazu befähigen, Pflegefachpersonen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, deren Anordnungen fachgerecht unter entsprechender Aufsicht durchzuführen, die durchgeführten Maßnahmen den fachlichen und rechtlichen Anforderungen entsprechend zu dokumentieren und die erforderlichen Informationen weiterzuleiten.“

Damit läge eine klare Beschreibung der Aufgaben vor, welche die Kompetenzabgrenzung zur Pflegefachperson berücksichtigt.

§ 5 Abs. 1 – Dauer und Struktur der Ausbildung

Der Entwurf legt – anders als derjenige der Vorgängerregierung im Sommer 2024 – die Ausbildungsdauer in Vollzeitform auf 18 Monate fest. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass ein erheblicher Teil der Pflegeschulen eine einjährige Ausbildungsdauer favorisiert hat. Die Praxis in mehreren Bundesländern zeigt, dass eine qualitativ hochwertige Ausbildung auch in 12 Monaten möglich ist – was insbesondere für Quereinsteiger*innen attraktiv ist und einen zügigen Berufseinstieg ermöglicht.

Öffnungsklausel für flexible Modelle: Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, den Ländern über eine Öffnungsklausel die Möglichkeit einzuräumen, die Ausbildung um weitere sechs Monate zu verlängern (z. B. für landesspezifische Modelle wie „Sprache und Integration“). Eine spezifisch auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene 24-monatige Ausbildungsdauer würde zusätzliche InteressentInnen einbinden, die Ausbildungsqualität – etwa durch erweiterte Sprachförderung – steigern und Pflegeschulen eine Alternative eröffnen, falls eine 18-monatige Ausbildungsdauer vor Ort nicht umsetzbar ist.

Bei einer 18-monatigen Ausbildungsdauer sind aus Sicht des VDP folgende Punkte zwingend zu beachten:

  • Übergang zur Fachkraftausbildung: Eine 18-monatige Ausbildungsdauer führt zu organisatorischen Leerläufen und erschwert den nahtlosen Übergang in die 3-jährige Fachkraftausbildung. In rund 50 % der Fälle entstünde eine 6-monatige Wartezeit, um von der Pflegeassistenz- in die Fachausbildung wechseln zu können. Derzeit wechseln bis zu 40 % der Absolvent*innen der 12-monatigen Ausbildung direkt in die anschließende Fachkraftausbildung. Da kleine und mittlere Pflegeschulen aus organisatorischen, räumlichen und personellen Gründen die dreijährige Ausbildung nicht zweimal jährlich starten können, würden 18-monatige Zyklen zu erheblichen Wartezeiten führen.
  • Finanzierung und Schulfinanzierung im 2. Ausbildungsjahr: Das zweite, unvollständige Schuljahr stellt Pflegeschulen organisatorisch und finanziell vor erhebliche Herausforderungen. Um zusätzliche Belastungen zu vermeiden, darf eine Veränderung der Schülerzahl über die 18 Monate hinweg nicht nachteilig auf die Schulfinanzierung in den letzten sechs Monaten wirken. Sach- und Personalkosten fallen weiterhin an – selbst wenn die Anzahl der SchülerInnen gegen Ende der Ausbildungszeit sinkt. Daher schlägt der VDP folgende Ergänzung in § 14 Abs. 2 PflAFinV vor: „…; bei der Assistenz-Ausbildung bleiben Veränderungen in der Schülerzahl während der gesamten Ausbildungsdauer von 18 Monaten unberücksichtigt.“
  • Rückfallregelung gesetzlich verankern: Zur Wahrung der Planungssicherheit ist eine ergänzende gesetzliche Regelung notwendig, um Pauschalen im Falle eines Scheiterns von Verhandlungen nach unten abzusichern. Es existieren bundesweite Pauschalen für die dreijährige Pflegeausbildung, die bislang nicht als Rückfallregelung für die Assistenzausbildung gelten. Die „Rückfallregelung“ in § 30 PflBG greift nur, wenn bereits Pauschalvergütungen verhandelt wurden – was bei neu eingerichteten Ausbildungen wie der Pflegefachassistenz nicht der Fall ist. Auch fehlen jene über Jahre auslaufenden Länderförderprogramme, die beim Übergang zur generalistischen Pflegeausbildung das System absicherten. Da sich der finanzielle Aufwand bei beiden Ausbildungsformen in Stundenzahl je Ausbildungsjahr, Lehrkräften und Ausstattung auf Seiten der Schulen ähnelt, entsteht hier eine Regelungslücke. Diese gefährdet den reibungslosen Start der Fachassistenzausbildung. Mit der folgend vorgeschlagenen Gesetzesänderung wird diese Lücke geschlossen und eine verbindliche Mindestgrundlage für die Finanzierung der Assistenzausbildung geschaffen – inklusive erheblicher Vereinfachungen in Verwaltung und Verfahren. Formulierungsvorschlag zur Ergänzung des § 24 PflFAssG: „Fehlt eine Pauschalvereinbarung nach § 30 Abs. 3 Satz 2 PflBG, gilt die für den gleichen Zeitraum vereinbarte Pauschale der dreijährigen Ausbildung entsprechend auch für die Pflegefachassistenzausbildung.“

 

§ 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 2 – Durchführung der praktischen Ausbildung

  • Keine zusätzlichen Einsätze neben Pflichteinsätzen: Regelungen zu optionalen zusätzlichen Praxiseinsätzen sollten entfallen. Weder in einer 12- noch in einer 18-monatigen Ausbildung ist zeitlich Raum, neben den vorgesehenen Pflichteinsätzen noch weitere Praktika durchzuführen.
  • Praxisanleitung/-begleitung realistisch gestalten: Bereits in der generalistischen Pflegefachausbildung sind die Kapazitäten für die praktische Anleitung in den Einrichtungen und die Begleitung durch die Pflegeschule unzureichend. Die Forderung, diese in vollem geforderten Umfang nun auch bei der Assistenz-Ausbildung sicherzustellen, droht die Ausbildungskapazitäten weiter zu verringern – schlicht weil das benötigte Personal (Praxisanleiter*innen, Lehrkräfte) nicht zur Verfügung steht.
  • Umsetzung der 10% Praxisanleitung: Der festgeschriebene Anteil von mindestens 10 % geplanter Praxisanleitung während der praktischen Ausbildung wird zwar grundsätzlich begrüßt. Angesichts der nach wie vor geringen Zahl berufspädagogisch weitergebildeter Pflegefachkräfte und des generellen Fachkräftemangels ist die Umsetzung in der Praxis jedoch schwer realisierbar.
  • Weiterbildung zur Praxisanleitung für Assistenzen: Perspektivisch sollte diskutiert werden, ob für künftige PflegefachassistentInnen eine spezifische Weiterbildung zur Praxisanleitung für die Pflegeassistenz ermöglicht werden kann. Dies könnte helfen, langfristig genügend qualifiziertes Praxisanleitungspersonal für die Assistenz-Ausbildung zu sichern.

§ 6 Abs. 1 und § 7 – Pflichteinsätze und Träger der praktischen Ausbildung

  • Pflichteinsatz in Akutpflege (Krankenhaus): Die Verpflichtung zu einem Pflichteinsatz in der stationären Akutpflege (Krankenhaus) wird äußerst kritisch gesehen. Schon in der Fachkraftausbildung stehen nicht ausreichend Praxisplätze in Krankenhäusern zur Verfügung. Wenn nun alle Auszubildenden in der Pflegeassistenz – unabhängig vom eigentlichen Ausbildungsträger – ebenfalls einen Einsatz in der Akutpflege absolvieren müssen, sind weitere Engpässe bei Krankenhaus-Praktikumsplätzen absehbar.
  • Einbeziehung von Reha-Kliniken: Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass Rehabilitationskliniken erneut weder Pflichteinsätze anbieten noch als Träger der praktischen Ausbildung zugelassen werden sollen. Angesichts der ohnehin angespannten Lage bei der Bereitstellung externer Pflichteinsatzplätze im Akutbereich (Krankenhäuser) ist es dringend geboten, die Möglichkeiten für Pflichteinsätze auf Reha-Einrichtungen auszuweiten. Gleiches gilt für die Trägerschaft der praktischen Ausbildung: Auch Reha-Kliniken sollten als Ausbildungsbetrieb zugelassen werden. In Bundesländern, in denen Reha-Kliniken bereits heute in der landesrechtlichen Pflegehelferausbildung als Träger fungieren, würde die geplante Neuregelung einen deutlichen Rückschritt bedeuten und erheblichen Erklärungsbedarf bei den betreffenden Einrichtungen auslösen. Der VDP spricht sich daher dafür aus, diese Aspekte im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufzunehmen.

§ 8 Abs. 1 und 2 – Mindestanforderungen an Pflegeschulen

  • Lehrkräftemangel entschärfen: Ein gravierender Engpass in der Pflegefachkraftausbildung – und perspektivisch auch in der Pflegefachassistenzausbildung – besteht beim Lehrpersonal. Viele Pflegeschulen können ihre Ausbildungskapazitäten mangels Lehrkräften nicht bedarfsgerecht ausweiten; teilweise werden bereits Ausbildungsplätze abgebaut oder ganze Schulen geschlossen.
  • Qualifikationsanforderungen anpassen: Es muss dringend eine Anpassung der Anforderungen an die Lehrkräfte-Qualifikation erfolgen. Auf Bundesebene sollte klargestellt werden, dass diese Anforderungen praxisnah und realistisch zu fassen sind. Weder aktuell noch absehbar steht genügend hochqualifiziertes Personal mit Masterabschlüssen zur Verfügung. Ein Festhalten an überzogenen Maßstäben wird weitere Schulschließungen wegen Lehrpersonalmangel, den Wegfall von Ausbildungsplätzen und in der Folge einen Mangel an Fachkräften nach sich ziehen. Ein pflegepädagogischer Bachelor-Abschluss sollte daher als ausreichend anerkannt werden; weitere Studienabschlüsse wie Pflegemanagement und Gesundheitswissenschaften sollten ebenfalls Berücksichtigung finden.
  • Schüler-Lehrkraft-Schlüssel erhöhen: Angesichts begrenzter Lehrkapazitäten sollte auch das Verhältnis von Lehrkräften zu Schülerzahlen praxisgerecht angepasst werden. Ein Richtwert von 1:25 (eine Vollzeit-Lehrkraft je 25 Ausbildungsplätze) wäre hier eine pragmatische Lösung, um Ausbildungskapazitäten zu erhalten und auszubauen.

Anpassungen im Pflegeberufegesetzes

  • Mit der Einführung der bundeseinheitlichen Pflegefachassistenz-Ausbildung sollte im Pflegeberufegesetz die Möglichkeit verankert werden, nach Bestehen der Zwischenprüfung der generalistischen Pflegeausbildung den Abschluss als „Pflegefachassistent/in“ zu erwerben. Diese Option sollte für Auszubildende gelten, die die dreijährige Fachkraftausbildung nicht erfolgreich abschließen. Dadurch würde die Kompetenzlücke zwischen Pflegehelfer*innen und Pflegefachkräften geschlossen und den Betroffenen die Chance gegeben, mit einem erweiterten Kompetenzprofil in Pflegeeinrichtungen weiterzuarbeiten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass dieser Personenkreis der Pflege im Falle des Nichtbestehens der Abschlussprüfung gänzlich verloren geht.
  • Anschlussfähigkeit zur Pflegefachausbildung: Der VDP plädiert nachdrücklich dafür, die Zwischenprüfung der generalistischen Pflegeausbildung als regulären Abschluss zur „Pflegefachassistenz“ anzuerkennen. Dies würde Ausbildungsabbrüche auffangen, berufliche Perspektiven erhalten und die Durchlässigkeit im Ausbildungssystem entscheidend fördern.

 

Über den VDP:

Der Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. (VDP) ist mit über 2.000 freien Bildungseinrichtungen der größte Zusammenschluss privater Bildungsträger in Deutschland. Rund 80 % der Berufsfachausbildungen im Gesundheitswesen werden von privaten Gesundheitsschulen abgedeckt; der Großteil dieser Schulen in freier Trägerschaft ist im VDP organisiert.

Damit ist der VDP eine maßgebliche Instanz für Ausbildung und Versorgung im deutschen Gesundheitswesen. Als verlässlicher Partner von Politik, Verwaltung und Praxis gestaltet der VDP aktiv die Rahmenbedingungen für eine leistungsfähige, hochwertige und zukunftsfeste Ausbildung von Gesundheitsfachkräften.

Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.

Bundesgeschäftsstelle, Kronenstraße 3, 10117 Berlin, vdp@privatschulen.de